Darum sind Ausblicke für Anleger so wichtig

Insights, Geopolitics
16.01.2023 Lesezeit: 4 Minute(n)
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Durch Veränderungen und noch nie dagewesene Herausforderungen entstehen neue Trends, Marktbedingungen und Modelle. Im Zuge dieser Veränderung kommen meist auch neue erklärende Wörter und Begriffe auf. Gleichzeitig verlieren mit der Veränderung alter Strukturen und Dynamiken auch damit verbundene Begriffe an Relevanz. Die neue Welt erfassen und verstehen – geopolitische Begriffe einzeln erklärt.

Formen unsere Wörter die Welt? Oder prägt die Welt unsere Sprache? Diese uralte philosophische Frage verdeutlicht die untrennbare Beziehung zwischen unseren Wörtern und Lebenswirklichkeiten. Daher ist es nur logisch, dass mit Veränderungen der Realität auch Veränderungen unseres Wortschatzes einhergehen.

Welche Bedeutung hat das für die Anleger? Nehmen wir folgendes Beispiel: Anleger neigen bei steigenden geopolitischen Risiken dazu, risikoreichere Anlagen wie Aktien oder hochverzinsliche Anleihen zu meiden, da diese Arten von Anlagen empfindlicher auf Preisschwankungen reagieren. Wie können Anleger fundierte Entscheidungen treffen, wenn sie die Schlüsselbegriffe zur Erklärung geopolitischer Risiken nicht verstehen?

Nach unserem Deep Dive in das Vokabular der Makroökonomie – die Begriffe, die uns prägen – liefern wir nun einige Erklärungen zu geopolitischen Begriffen. Diese Liste erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr erläutert sie einige der heute gängigsten geopolitischen Begriffe, die Bedeutung neuer und aufkommender Bezeichnungen und warum einige traditionelle Begriffe aus der Vergangenheit überdacht oder sogar vergessen werden sollten.

Portrait shot of Reto Cueni, Chief Economist at Vontobel

«Seit Chinas Aufstieg zur neuen Weltmacht ist der Begriff der Geopolitik wieder so wichtig geworden wie zur Zeit des Kalten Krieges», so Vontobel Chief Economist Reto Cueni. «Als Anleger müssen wir uns der geopolitischen Verschiebungen bewusst sein, die zu einer tiefgreifenden Veränderung der Märkte und Vermögenspreise führen könnten, und uns auf die Trends vorbereiten, die unsere Zukunft möglicherweise prägen werden.»

Reto Cueni
Chief Economist

 

Geopolitik

Unter Geopolitik verstehen wir globale Machtbeziehungen in Bezug auf Themen wie territoriale Streitigkeiten, Ressourcen, nationale Interessen und Bevölkerungsmanagement und wie einzelne Länder, Regionen oder Gruppen versuchen, ihre Ziele umzusetzen. Dazu zählen sowohl diplomatische Auseinandersetzungen auf freundschaftlicher Ebene als auch gewaltsame Machtkämpfe wie Kriege. Auch abstraktere Konflikte um Religion oder Ideologien sind denkbar. Kurz gesagt, umfasst der Begriff alle Geschehnisse, welche die momentane und künftige globale Ordnung verändern können. Nun da die Spannungen zwischen den globalen Grossmächten USA, Russland und China zunehmen, wird uns dieser Begriff in nächster Zeit häufiger begegnen.

 

  • Globalisierung
    Als Einstieg in das Thema Geopolitik empfiehlt es sich zunächst den Begriff Globalismus zu betrachten. Unsere Welt ist immer stärker vernetzt und voneinander abhängig mit Auswirkungen auf Bereiche wie Handel und Technologie bis hin zu
    Migration, Die weltweite Gesamtzahl der Migranten hat sich der Internationalen Arbeitsorganisation zufolge seit 1970 schätzungsweise mehr als verdreifacht.
    Investitionen und Information. Diese Entwicklungen haben wiederum Auswirkungen auf die Denkweisen der Menschen, sei es ihre Einstellung zu Wirtschaft, Gesellschaft oder Kultur. Im Zusammenhang mit Wirtschaft und Finanzmärkten wird der Begriff Globalisierung am häufigsten verwendet, wenn von
    Handel Die länderübergreifende Bewegung von Waren und Dienstleistungen. Das globale Handelsvolumen hat sich laut Welthandelsorganisation zwischen 1950 und 2021 um 4300 Prozent erhöht.
    die Rede ist. Insbesondere die Aussichten auf
    Handelsabkommen Länder vereinbaren, Import- und Exportbeschränkungen abzubauen, um ihre Handelsbeziehungen zu verbessern.
    , waren ein wesentlicher Impulsgeber für den Globalismus und führten zu einem wachsenden Netzwerk an internationalen Lieferketten.

    Die Befürworter der Globalisierung argumentieren, dass sich unser Leben dadurch erheblich verbessert hat. So wurde die Weltwirtschaft angekurbelt, mehr Arbeitsplätze geschaffen und Unternehmen konnten expandieren, zu niedrigeren Kosten produzieren und ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich steigern. Dank der Globalisierung können Verbraucher Waren aus der ganzen Welt bestellen und erhalten diese innerhalb weniger Werktage. Zugleich ist die Auswahl deutlich grösser.

    Doch nicht alle begrüssen dies und einige weisen darauf hin, dass die Globalisierung bestimmte demografische Gruppen deutlich benachteiligt. Ein Beispiel hierfür sind die inhumanen Arbeitsbedingungen in einigen Entwicklungsländern. Hier werden Arbeiterinnen und Arbeiter systematisch ausgebeutet, um Produkte für die globalen Lieferketten zu produzieren. Andere führen ins Feld, dass viele Beschäftigte ihre Stellen infolge von Outsourcing, vereinfachten Importen und Arbeitsmigration verloren haben und die Globalisierung die Ungleichheit zwischen Fachkräften und Hilfsarbeitern verstärkt. All diese Faktoren haben den Aufstieg nationalistischer und populistischer Strömungen begünstigt, deren Anhänger die Nachteile der Globalisierung betonen, wie wir im Folgenden erläutern.

  • Deglobalisierung

    Es ist zudem immer häufiger die Rede von einer Deglobalisierung. Im Rahmen dieser Bewegung suchen bestimmte Gruppen in einigen Ländern nach lokalen Lösungen und kehren sich von internationalen Abkommen ab. Während die Zuwanderung bis zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie zunahm, haben ausländische Direktinvestitionen ihren Höchststand in den Jahrzehnten bis 2008 und während der globalen Finanzkrise nicht wieder erreicht.

    Die Zunahme von Nationalismus und Protektionismus, die wir weiter unten erläutern, sind weitere Beispiele für die Deglobalisierung. Erwähnt sei der Brexit, der die Handelsbeziehungen in der EU auf den Kopf stellte, oder US-Präsident Trumps Ausstieg aus einer Reihe von Abkommen und Allianzen. Die Frage, ob die Deglobalisierung zunimmt, wurde vor allem während der Pandemie diskutiert, als die Risiken einer eng verflochtenen Weltwirtschaft und ihrer Lieferketten deutlich wurden. Darüber hinaus können der Krieg in der Ukraine – und die damit einhergehenden Embargos und Sanktionen gegen Russland – auch zu einer Deglobalisierung, «Slowbalization» oder zu einem «Friendshoring» und einer «Newbalization» führen.

    Mit dem Aufkommen der Deglobalisierungstendenzen sind auch neue Begriffe entstanden.

  • Slowbalization

    Einige Forscher sind der Meinung, dass der Begriff Deglobalisierung die gegenwärtige Situation nicht richtig beschreibt und dass ein Begriff wie Slowbalization den Kern der Sache eher trifft. Die Erholung von der Pandemie verlief in einigen Bereichen schneller als in anderen, etwa in der globalen Migration und im Tourismus. In einigen Punkten, wie z. B. beim Volumen der weltweiten internationalen Datenübertragungen, kam es während der Pandemie gar nicht erst zu einem Rückgang. Andere Bereiche wie Handel und Logistik erholen sich hingegen deutlich langsamer. Dies ist unter anderem auf den Arbeitskräftemangel und die Verschiebung der Nachfrage zurückzuführen. Slowbalization beschreibt das Phänomen, dass der Trend der Globalisierung anhält, wenn auch in langsameren Tempo.

  • Newbalization

    Andere wiederum halten Newbalization für den besseren Begriff zur Beschreibung des momentanen Deglobalisierungstrends. Hierbei wird behauptet, dass die Globalisierung nicht dem Ende zugeht, sondern die Staaten vielmehr versuchen dürften, ihren Handel, den grenzüberschreitenden Datenaustausch, ihre Einwanderungspolitik und ihre Versorgungsnetze neu zu organisieren, um ihre Abhängigkeit von einzelnen Ländern und Lieferanten zu verringern. Es geht also eher darum, Globalisierung neu zu denken, als sich von ihr zu verabschieden, da neue Länder von diesen Umstellungen profitieren werden, wie es bei einem Anstieg des Friendshoring der Fall wäre.

  • Friendshoring

    Von Friendshoring spricht man, wenn Länder ihre Lieferkettennetzwerke auf Verbündete und befreundete Länder konzentrieren oder beschränken. So können Staaten ihre Lieferketten schützen und ihre Abhängigkeit von Ländern, mit denen Spannungen bestehen, verringern. Zu Jahresbeginn nannte US-Finanzministerin Janet Yellen den Begriff Friendshoring in einer Rede, in der sie betonte, wie wichtig die Fokussierung auf Handel und Investments innerhalb einer Gruppe von Staaten sei, die dieselben Werte teilen. Diese Bemerkung verstanden einige Beobachter als Seitenhieb auf China.

  • Kalter Krieg

    Dieser Begriff bezieht sich ursprünglich auf einen Zeitraum politischer Feindseligkeit und geopolitischer Spannungen zwischen den Ländern des Sowjetblocks und den USA mit ihren westlichen Verbündeten  von 1945 bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991. In den letzten Jahren hat er jedoch eine Art Comeback erlebt. Der Konflikt erhielt diese Bezeichnung, da er keine direkte militärische Auseinandersetzung umfasste und keine der beiden Parteien der jeweils anderen den Krieg erklärte – selbst als es zu Stellvertreterkriegen wie in Vietnam und Afghanistan kam. Vielmehr wurde er wirtschaftlich, politisch, über Propaganda und über Spionageaktionen ausgetragen.

 

Second Cold War

Einige Kommentatoren haben begonnen, die anhaltenden Spannungen zwischen einzelnen Ländern mit dem Begriff «Zweiter Kalter Krieg» zu beschreiben. Der Ausdruck wird zum einen im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und China verwendet, doch auch der Krieg in der Ukraine und die darauffolgenden internationalen Spannungen führten zu Diskussionen um einen möglichen «Zweiten Kalten Krieg», da sich abermals West und Ost gegenüberstehen und insbesondere die Sorge vor einem nuklearen Konflikt wieder aufkam. Der Konflikt weist darüber hinaus Ähnlichkeiten mit dem Kalten Krieg auf, da sich Russland sowie Europa und die USA gegenüberstehen. Auch der Begriff
Raschismus oder Ruschismus Einfach formuliert: russischer Faschismus. Mit diesem Wort wird die russische Rolle als Aggressor gegenüber der Ukraine beschrieben, aber in einem allgemeineren Sinne auch die unter der Führung von Wladimir Putin verbreitete Ideologie – vom Kult um seine Person über die expansionistische Rhetorik bis zur antiwestlichen Haltung
ist daraus entstanden.

Folgende Begriffe stehen ebenfalls im Zusammenhang mit diesem Thema:

  • Bloc formation

    Betrachten wir darauf aufbauend das Phänomen der Blockbildung. Der Begriff «Block» kann mehrere Konzepte beschreiben. Zum einen können sich Blöcke auf der Basis geografischer Einheiten bilden, wie im Falle der Europäischen Union oder der Afrikanischen Union. Der Begriff kann sich aber auch auf eine Gruppe von Ländern beziehen, die dieselben Werte, Ziele und Ideologien teilen und eventuell Mitglieder eines Abkommens sind, wie z. B. die Nordatlantikpakt-Organisation (NATO), die 30 Mitgliedsstaaten in einem Militärbündnis vereint. In Zukunft könnten sich konkretere Wirtschaftsblöcke um die grossen Weltmächte wie USA, China und Russland bilden.

  • Fragmentation

    Mit dem anhaltenden Krieg in der Ukraine, bei dem kein Ende absehbar ist, ist das Risiko einer Zersplitterung der Welt gestiegen. Dies könnte sich wie oben erläutert in Form der Bildung von Wirtschaftsblöcken äussern und laut des Internationalen Währungsfonds auch in Form der Ausrichtung von Ländern nach Ideologien, politischen Systemen und Technologiestandards. Dies bedeutet auch, dass die globale Lieferkette uneinheitlicher wird, was sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirkt und die Inflation anheizt.

 

  • Lieferkette

    Der in den letzten Jahren häufig verwendete Begriff der Lieferkette bezieht sich auf das Netzwerk zwischen einem Unternehmen und seinen Lieferanten, das für die Produktion und die Lieferung eines bestimmten Produkts an den Endabnehmer erforderlich ist. Dazu gehört alles: von den Rohstoffen über die Montage von Teilen und den Transport von Waren bis hin zum Einzelhandel und sogar zum Recycling.

    Während der Pandemie führten beispielsweise Lockdowns und Beschränkungen zu Lieferkettenproblemen, die auf geschlossene Werke und Häfen zurückzuführen waren und Engpässe und Lieferschwierigkeiten bei verschiedenen Produkten und Rohstoffen verursachten. Doch mit der weltweiten Wiederöffnung der Wirtschaft kam es zu einer Freisetzung der aufgestauten Nachfrage, die das Angebot schnell überstieg. Zudem wurden die Lieferketten durch Arbeitskräftemangel in verschiedenen Sektoren, Produktionsstopps aufgrund von COVID-19-Beschränkungen, die einige Fabriken vorübergehend stilllegten, sowie die Schliessung von Häfen und Flughäfen durcheinander gebracht. Dadurch bedingt waren die Lieferketten noch nicht auf ihr Vor-Corona-Niveau zurückgekehrt, als die geopolitische Lage aufgrund des russischen Einmarschs in die Ukraine eskalierte. Zu den zahlreichen Auswirkungen dieses Krieges zählen eingeschränkte Öl- und Gaslieferungen, die einen Anstieg der Energiepreise verursacht haben. Zudem wurde die Lieferung von Chemikalien und Autoteilen wie Kabeln in die Europäische Union beeinträchtigt, was einerseits auf Sanktionen und andererseits auf die Schliessung von ukrainischen Fabriken zurückzuführen ist.

    Neue Begriffe sind im Zuge des technologischen Fortschritts entstanden, darunter omnichannel und cybersecurity. Omnichannel beschreibt einen Einzelhandel, der verschiedene Arten des Einkaufens – darunter traditionelle Ladengeschäfte und E-Commerce – über verschiedene Arten mobiler Endgeräte umfasst. Selbst einige alteingesessene Branchen, die sich lange gegen die Digitalisierung gesträubt haben, werden sich nun der Alternativlosigkeit von Omnichannel-Lösungen bewusst. Einhergehend mit dieser Entwicklung hat jedoch auch die Cybersicherheit an Bedeutung gewonnen. So haben alleine im Jahr 2021 Cyberattacken um das Fünffache zugenommen.

  • Nationalismus

    Hinter diesem Begriff verbirgt sich eine politische Ideologie, der zufolge die nationalen Interessen und die Selbstbestimmung einer Nation wichtiger sind die einzelner Menschen und anderer Länder. Hinzu kommt die Überzeugung, dass die eigene Nation anderen überlegen ist. Diese Ideologie findet sich häufig in rechtsgerichteten politischen Parteien, die davon profitieren, dass sich die Menschen unter dem Banner einer gemeinsamen Identität oder Ethnie versammeln, die sie oftmals als durch Aussenstehende bedroht darstellen. Dies führt dazu, dass nationalistische Gruppen sich fremdenfeindlich äussern und politische Massnahmen befürworten, die eine Einwanderung verhindern sollen. Sie sehen Zuwanderer oftmals entweder als Konkurrenz um Arbeitsplätze oder als Sozialleistungsempfänger, die eine finanzielle Belastung darstellen. Nationalismus kann auch zu einer Politik der Abschottung führen, die der globalen Zusammenarbeit zwischen Ländern und internationalen Organisationen entgegensteht.

 

Populismus

Populismus ist eng mit Nationalismus verknüpft, hat jedoch klar abgegrenzte eigene Merkmale. Nationalismus ist ein wichtiger Bestandteil des Populismus, doch letzterer wendet sich als Ideologie gezielt an «das Volk» und beschreibt «die Elite» als eine Gruppe, der die Bedürfnisse des Volkes gleichgültig sind und den «einfachen Menschen» daher das Leben erschwert. Populisten versuchen, bei ihrer Wählerbasis Gefühle von Stolz, Angst und Wut hervorzurufen, um eine «Wir gegen die»-Dynamik zu schaffen. Auf diese Weise wird die Bevölkerung gespalten.

In den vergangenen Jahren haben Nationalismus und Populismus unter den Wählern in den USA und Europa Auftrieb erfahren. So lieferten diese Strömungen entscheidende Impulse für die Pro-Brexit-Kampagne in Grossbritannien. In Deutschland beschleunigte sich der Aufstieg der «Alternative für Deutschland» (AfD), als der Krieg in Syrien zu einer Migrationskrise in Europa führte. Doch auch in Ungarn und Polen sind mit Viktor Orbán und Andrzej Duda nationalistische Politiker in Führungsverantwortung gekommen. «America First», der Slogan des ehemaligen US-Präsidenten Trump, war ein Paradebeispiel für Nationalismus, auch wenn Rhetorik und sein Stil einen neuen Begriff geprägt haben:
TrumpismDieser komplexe Begriff stammt aus seiner Präsidentschaftskampagne im Jahr 2015. Einfach erklärt beschreibt er Trumps einzigartigen Regierungs- und Kommunikationsstil, seine Ideologie und auf Ressentiments basierende Politik. Trumpism umfasst Elemente von extrem rechter Politik, Nationalismus und Populismus..

Ein weiterer neuer Begriff hat seinen Ursprung ebenfalls in den USA:

  • Post-truth

    Dieser Begriff wurde 2016 vor dem Hintergrund der Wahl von Donald Trump und des Brexit-Referendums zum internationalen Wort des Jahres gekürt. Er beschreibt eine Situation, in dem die direkte Ansprache von Emotionen und persönlichen Überzeugungen mehr Gewicht hat als objektive Fakten – begünstigt durch die steigende Zahl von Menschen, die soziale Medien als Nachrichtenquelle nutzen und von Regierungen und Institutionen veröffentlichten Fakten ablehnend gegenüberstehen.

 

Protektionismus

Entscheidet die Regierung eines Landes, den internationalen Handel einzuschränken, um nationale Wirtschaftssektoren zu unterstützen und die heimische Konjunktur anzutreiben, spricht man auch von Protektionismus. Dieser Politikansatz wird unterschiedlich bewertet. Gegner des Protektionismus machen geltend, dass dieser häufig das Gegenteil des Gewünschten bewirke und sogar Preissteigerungen auslösen könne . Die Befürworter argumentieren hingegen, dass Protektionismus Arbeitsplätze im Inland schaffe und damit die Konjunktur antreibe. Bisweilen kann auch das Ziel der nationalen Sicherheit den Protektionismus befördern.

Protektionistische Massnahmen beziehen sich vorwiegend auf
Zölle, Zölle sind Steuern auf importierte Waren, die letztere faktisch verteuern. Damit soll die Nachfrage nach den betreffenden Produkten gesenkt werden.
Importquoten Mengenbeschränkungen für importierte Waren – die verfügbare Menge eines bestimmten Produkts nimmt ab. Auch damit soll die Nachfrage nach den betreffenden Produkten gesenkt werden.
und
Produktnormen . Strenge Normen für importierte Produkte. Diese können den Verwaltungsaufwand und die Sicherheitsstandards erhöhen oder zu vermehrten Prüfungen führen. Hierdurch wird die Einfuhr von Waren komplizierter und kostspieliger, allerdings steigt damit auch die Qualität bestimmter importierter Produkte.

 

Handelskrieg

Betrachten wir nach dem Thema Protektionismus nun das Phänomen eines Handelskriegs. Wenn in einem Land der Eindruck entsteht, dass eine konkurrierende Nation von unfairen Handelspraktiken profitiert, kann die Regierung in der Folge die zuvor erläuterten Massnahmen gegen Importe aus einem anderen Land ergreifen.

Auch in diesem Fall gehen die Meinungen darüber auseinander, ob diese Massnahmen dem Land nutzen, das sie ergreift. Befürworter sind der Ansicht, dass ein solcher Handelskrieg die nationalen Interessen schützt und lokalen Unternehmen einen Vorteil verschafft. Gegner argumentieren hingegen, dass Handelskriege das Gegenteil des Gewünschten bewirken, da die Unternehmen unter Umständen mehr für Rohstoffe ausgeben und die entsprechenden Preissteigerungen an die Verbraucher weitergeben müssen, was wiederum eine Inflation auslösen kann. Somit entsteht ein Schaden nicht nur für die heimische Wirtschaft, sondern auch für die Handelsbeziehung zu dem Land, gegen das die Massnahmen verhängt werden.

Einige der wichtigsten Massnahmen in diesem Bereich wurden 2018 ergriffen, als der damalige US-Präsident Trump eine Reihe von Zöllen gegen so unterschiedliche Produkte wie Stahl, Aluminium, Solarpanels und Waschmaschinen verhängte. Betroffen waren Güter aus der EU und Kanada, aber auch China und Mexiko. Als Gegenreaktion beschloss auch die EU Zölle gegen US-Produkte. In diesem Fall waren etwa landwirtschaftliche Importe und Motorräder von Harley Davidson betroffen. Auch China schlug mit Zöllen auf US-Importe zurück. Diese Kosten wurden überwiegend von den Importeuren getragen und die Preise dann auf die Verbraucher der Länder umgelegt, die die neuen Massnahmen verhängt hatten. Dies zeigt, dass das Gegenteil des Gewünschten erreicht wurde.

 

Sanktionen

Dieser Begriff beherrschte die Schlagzeilen, nachdem Russland zu Beginn des Jahres 2022 in der Ukraine einmarschierte. Die EU und die USA verhängten eine Reihe von Sanktionen, um die russische Wirtschaft zu schwächen, Vermögenswerte einzufrieren und die Reisefreiheit von Personen einzuschränken, die sich im direkten Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin bewegen oder die den Krieg unterstützen, finanzieren oder von ihm profitieren.

Sanktionen können auch beinhalten, dass andere Staaten oder Unternehmen irgendwo auf der Welt bestimmte Regeln befolgen müssen, da ansonsten rechtliche und finanzielle Konsequenzen drohen. Werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Formen von Sanktionen.

  • Wirtschaftssanktionen

    Diese Art von Sanktionen beschränkt den finanziellen Austausch und Handel mit einem Land. Beispielsweise können Importe aus diesem Land vollständig verboten oder verteuert werden. Zudem müssen Banken die Geschäftstätigkeit im betroffenen Land unterlassen. Versicherungsunternehmen dürfen keine Unternehmen mehr versichern, die mit Firmen in sanktionierten Ländern oder mit den staatlichen Organen dieser Länder Handel treiben, und selbst einzelne Transaktionen nicht mehr absichern.

  • Diplomatische Sanktionen

    Diplomatische Sanktionen werden verhängt, wenn ein Land seine Unzufriedenheit mit einem anderen Land zum Ausdruck bringen möchte. Dabei können etwa Botschaften geschlossen, Botschaftspersonal nach Hause beordert oder die Teilnahme an Regierungstreffen verweigert werden. Eine weitere Form diplomatischer Sanktionen ist es, wenn Diplomaten eines sanktionierten Landes von wichtigen Sitzungen ausgeladen werden oder die Mitgliedschaft des Landes in bestimmten Organisationen beendet wird. So wurde etwa Russland aus den G8 ausgeschlossen, die sich nun G7 nennen.

  • Militärische Sanktionen

    Diese Art von Sanktionen kann zum Beispiel ein Waffenembargo beinhalten, das die Lieferung von Militärgütern an ein Land untersagt.

  • Sanktionen gegen natürliche Personen

    Diese Sanktionen zielen – wie bereits erwähnt – auf konkrete Personen ab, etwa Politiker, Militärs oder ökonomische bedeutsame Personen. Zumeist werden dabei ihre finanziellen Vermögenswerte eingefroren und ihnen wird die freie Reisetätigkeit untersagt.

 

Westliche Ordnung

Dieser Begriff bezieht sich auf ein liberales demokratisches Modell, das die Weltordnung seit dem Ende des Kalten Kriegs dominiert, als die USA zur einzigen verbleibenden Supermacht wurden. Das Modell stützt sich auf Regelwerke, etwa die Erklärung der Menschenrechte, starke Beziehungen zwischen Nordamerika und Europa und eine hohe Priorität von Werten wie Demokratie und Frieden, die durch etablierte internationale Institutionen wie die Vereinten Nationen gestützt werden. Sowohl Russland als auch China hegen eine gewisse Antipathie gegen diese westliche Ordnung. Sie versuchen, ihre Macht auszudehnen, um diese Ordnung zu beenden.

 

Social Unrest

Ist die Bevölkerung mit einem Ereignis unzufrieden, kann dies zu sozialen Unruhen führen. Diese können die Form von Protesten, Ausschreitungen und Widerstand annehmen. Beispiele hierfür sind die jüngsten Proteste in China gegen die anhaltenden pandemiebedingten Einschränkungen oder auch die «Black Lives Matter»-Bewegung in den USA, die durch den Tod von George Floyd im Jahr 2020 ausgelöst wurde. Im zurückliegenden Jahrzehnt kam es vielerorts zu sozialen Unruhen – etwa zu den gegen die lokalen Regierungen gerichteten Aufständen des Arabischen Frühlings und zur «Occupy Wall Street»-Bewegung, die auf ökonomische Ungleichheit und den Einfluss des Geldes auf die Politik aufmerksam machen wollte. Einer Studie des Internationalen Währungsfonds zufolge belasten soziale Unruhen die wirtschaftliche Leistung und die Aktienmärkte.
Es sind neue Begriffe entstanden:

  • Gelbwesten

    Eine französische Graswurzelbewegung, in der die Protestierenden ökonomische Gerechtigkeit für die Unter- und Mittelschicht forderten – unter anderem durch einen höheren Mindestlohn und eine Vermögenssteuer.

  • Tang Ping

    Tang Ping heisst so viel wie «hinlegen» und steht für eine gesellschaftliche Protestbewegung, die 2021 in China ihren Anfang nahm. Hintergrund ist das unter vielen Menschen der jüngeren Generationen verbreitete Bedürfnis, ihren Lebensstil zu verändern – sich «hinzulegen» und die eigenen Ansprüche herunterschrauben, statt bis zur Erschöpfung zu arbeiten. Angesichts der alternden Bevölkerung und dem Rückgang der Erwerbsbevölkerung sehen vor allem junge Menschen sich immer anstrengenderen Arbeitsbedingungen ausgesetzt.

  • Bai Lan

    Auch dieser Begriff steht im Zusammenhang mit dem in China vorherrschenden gesellschaftlichen Druck, hart zu arbeiten. Bai Lan bedeutet in etwa «einfach verrotten lassen» und steht für ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit sowie den freiwilligen Verzicht junger Menschen auf die Verwirklichung ihrer ökonomischen Ziele. Verschärft wurde dieses Phänomen durch die harten Corona-Lockdowns, die die Zukunft noch ungewisser erscheinen lassen und die Wirtschaft belasten. Der Begriff beschreibt etwa grob die Haltung eines «Faulenzers», also eines Menschen mit geringer Leistungs- und Anpassungsbereitschaft.