Ein wenig Inflation schadet nicht – wie gutes Cholesterin
Inflation, insbesondere eine ausser Kontrolle geratene Teuerung in Ländern wie Zimbabwe, wurde als Geissel der Menschheit beschrieben. Löhne und Gehälter, die Tag für Tag erheblich an Kaufkraft verlieren, sind in der Tat das Rezept für wirtschaftlichen Niedergang und sogar Revolution. Europa, das sich noch mit Schrecken an die Hyperinflation der Kriegszeit erinnert, reagiert womöglich besonders empfindlich auf steigende Preise. Jedoch gibt es bei der Inflation wie beim Cholesterin schlechte und gute Ausprägungen.
Ein moderates Mass an Inflation ist gesund. Es ist ein Zeichen für solides Wachstum der Wirtschaft, der Unternehmensgewinne oder der Löhne. Wir brauchen diese Art von Inflation genauso wie wir Lipoprotein hoher Dichte brauchen – das «gute» Cholesterin, das unser Blut reinigt.
Seit der globalen Finanzkrise haben die Zentralbanken verzweifelt versucht, die Inflation in die Höhe zu treiben – ohne Erfolg. Ein moderater Anstieg der Preise um rund 4 bis 5 Prozent gegenüber dem Vorjahresniveau während eines Konjunkturaufschwungs verschafft Zentralbanken Spielraum für Zinssenkungen in einer künftigen Rezession. Jedoch haben preisdämpfende Entwicklungen infolge von Digitalisierung, Alterung der Bevölkerung und Globalisierung die Bemühungen der Notenbanken immer wieder zunichte gemacht.
Bis vor Kurzem schienen zweistellige Inflationsraten in Industrieländern der Vergangenheit anzugehören. Ein solches Niveau wurde zwischen 1800 und dem Zweiten Weltkrieg in Kriegszeiten und erneut während der Ölpreiskrise in den 1970er Jahren erreicht. Dies hat die Währungshüter veranlasst, ihre geldpolitische Strategie zu überdenken. Derzeit beobachten wir vereinzelte Inflationsspitzen. Ist dies endlich die Folge der aussergewöhnlichen Schritte der wichtigsten Zentralbanken?
Für Schulden in Zukunft weniger zahlen
Der Aufwärtsdruck bei der Teuerung, den wir in den letzten Monaten beobachtet haben, ist in erster Linie weiterhin auf Basiseffekte, saisonale Muster und Schwierigkeiten bei der Steigerung der «Produktionsdrehzahl» der ansonsten gut geschmierten Wirtschaftsmotoren zurückzuführen. Doch selbst wenn dies mehr sein sollte als ein kurzes Aufflackern der Inflation, wäre es kein Anlass zur Sorge, sofern der Anstieg kontrolliert verläuft. Inflation kann wohl eine Geissel sein, aber wenn sie gemässigt bleibt, auch ein Zeichen von reger Wirtschaftsaktivität. Ausserdem kann sie zur Verringerung der Staatsverschuldung beitragen – in einem inflationären Umfeld wird es leichter, Schulden in Höhe von beispielsweise 1 Milliarde US-Dollar zu begleichen, da die Teuerung den Wert über die Zeit reduziert.
Wir sollten Deflation fürchten, nicht Inflation
Wir dürfen nicht vergessen, dass das Gegenteil von Inflation – die Deflation – viel schädlicher sein kann, denn letztere ist in keiner Form positiv. In langen Phasen des Preisverfalls bestehen für Verbraucher keine Anreize, Geld auszugeben. Unternehmen reagieren darauf mit Kosteneinsparungen und Stellenabbau, was eine verheerende Abwärtsspirale auslöst. Die Umkehrung deflationärer Trends hat sich wiederholt als äusserst schwierig erwiesen. Japan, die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt, hat seit Jahren erfolglos alle erdenklichen Mittel auf die Bekämpfung von Deflation und die Stützung der Preise verwendet. Eine solche «Japanifizierung» der Weltwirtschaft wollten Zentralbanken und Regierungen in der westlichen Welt unbedingt vermeiden. Deshalb muss sich die Liquiditätswelle, die über die Weltwirtschaft geschwappt ist, zumindest in einem leichten Teuerungsanstieg niederschlagen. Gelingt dies, könnten wir eine Wiederholung der «Goldenen Zwanzigerjahre» erleben. Andernfalls müssen wir uns womöglich auf ein verlorenes Jahrzehnt wie in Japan einstellen.
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