Eine Arche Noah im ewigen Eis
Der Verlust der Vielfalt der essbaren Pflanzen gefährdet unsere Nahrungsmittelsicherheit. Deshalb sichert der Global Crop Diversity Trust das Erbgut und die Vielfalt unserer Nutzpflanzen. Ein Samen-Tresor auf Spitzbergen könnte im Ernstfall die Welt retten.
Auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen wurde eine Fläche in der Grösse eines halben Fussballfeldes in den Fels gehauen. Hinter mit Druckluft verriegelten Panzertüren lagern im dort geschaffenen Tresor die Samen von 840‘000 verschiedenen Nutzpflanzen. Vakuumverpackt und bei minus 18 Grad gelagert, sind die Samen je nach Pflanzenart einige Jahrzehnte oder gar über 10‘000 Jahren haltbar.
Bereits ein Drittel der weltweit wachsenden Nutzpflanzen hat der Global Crop Diversity Trust eingelagert. Mit hochgesteckten Zielen: Die Organisation will die Ernährungssicherheit der Menschheit gewährleisten, Züchter bei der Anpassung der essbaren Pflanzen an den Klimawandel unterstützen, die Umweltzerstörung durch die Landwirtschaft ebenso wie die Armut verringern.
Marie Haga, CEO des Global Crop Diversity Trusts, über den Saatgut-Tresor und die Zukunft der Nutzpflanzen.
Frau Haga, welches sind die grössten Herausforderungen in Bezug auf den Saatgut-Tresor?
Der Menschheit ist der Wert des Erbgutes der verschiedenen Nutzpflanzen gar nicht bewusst. Der Verlust der Kulturpflanzenvielfalt ist irreversibel, wie die Ausrottung der Dinosaurier oder ande-rer Tiere und Pflanzen. Pflanzen stehen an der Basis der Nahrungskette. Ohne sie gibt es kein Überleben.
Welches ist die grösste Bedrohung für die landwirtschaftliche Biodiversität?
Einerseits ist es die Landwirtschaft mit ihren Monokulturen; diese haben die regionale Vielfalt verdrängt. Andererseits ist es der Klimawandel, dem viele Kulturpflanzen nicht mehr gewachsen sind. Darauf müssen wir Antworten finden, wollen wir die Menschheit ernähren. Schon jetzt wird es immer schwieriger, genug Nahrung für alle zu produzieren.
Weshalb bewahren Sie das Saatgut im ewigen Eis auf?
Im Permafrost bei minus 18 Grad ist es einfacher, die Pflanzensamen so zu lagern, dass sie keim-fähig bleiben. Gründe für den Standort liegen auch in der Beschaffung des Felsens, der eine her-vorragende Isolation bietet. Die Region ist zudem geologisch stabil. Da der Tresor hoch über dem Meeresspiegel liegt, ist er auch vor Überschwemmungen geschützt.
Der Saatgut-Tresor wurde selbst Opfer der Klimaerwärmung. Ist das Saatgut in Gefahr?
Nein. 2016 wurde festgestellt, dass der Permafrostboden um den Eingangstunnel auftaute und Wasser austrat. Inzwischen ist das Problem behoben. Der Tresor und seine Schätze waren in kei-nem Moment in Gefahr.
Erste Versuche laufen, Fleisch künstlich herzustellen. Gelänge dies mit Pflanzen, wäre der Saatgut-Tresor überflüssig?
In der Theorie ist es möglich, Pflanzenproteine künstlich herzustellen. Ob dies in so grossen Men-gen möglich ist, um die Menschheit zu ernähren, bezweifle ich. Bauern arbeiteten dann in Labors. Bedenken hätte ich auch bezüglich der Umweltbelastung.
Der Global Crop Diversity Trust
Die unabhängige internationale Organisation (deutsch: Welttreuhandfonds für Kulturpflanzenvielfalt) ist eine Stiftung und wurde 2005 gegründet. Ihr Ziel: die dauerhafte Erhaltung der Sortenvielfalt von Kulturpflanzen, um diese für Forschung, Entwicklung und Züchtung nutzbar zu machen. Die Schweiz, vertreten durch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), ist eines der ersten Länder, die die Vision und die Bedeutung des Fonds verstanden und den Fonds unterstützt haben. Heute hat der Global Crop Diversity Trust seinen Sitz in Bonn.
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