Kampf für die gute Sache: Die Rolle der Kohlenstoffmärkte

FT Moral Money
15.06.2023 von Dr. Christel Rendu de Lint Lesezeit: 4 Minute(n)
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Zu sagen, die Reduktion der CO2-Emissionen sei dringend, wäre eine Untertreibung. Der Übergang zur Dekarbonisierung erfordert kollektive Anstrengungen, und die Kohlenstoffmärkte spielen im Kampf gegen den Klimawandel eine entscheidende Rolle. Sie bieten wichtige Chancen, stehen aber auch vor Herausforderungen.

Die Reduzierung der Kohlenstoffemissionen hat höchste Priorität. Es liegt auf der Hand, dass kein Sektor oder Unternehmen diesen Kampf allein gewinnen kann. Ein Grossteil der Schwerstarbeit wird gegenwärtig vom Compliance-Sektor gestemmt. Allerdings dürften die privaten Märkte zunehmend an Dynamik gewinnen und somit Möglichkeiten für einen echten Wandel bieten.

Das Moral Money Forum ist eine Initiative der Financial Times, die darauf ausgerichtet ist, die Öffentlichkeit über neue Entwicklungen im Bereich ESG, die Auswirkungen auf die Wirtschaft und das Finanzwesen haben, zu informieren. Als stolzer Partner dieser Initiative freuen wir uns, Ihnen den neuesten Bericht vorstellen zu können. In der aktuellen Ausgabe gewährt Christel Rendu de Lint, Head of Investments bei Vontobel, einen Einblick in ihre Sichtweise auf die Rolle der Kohlenstoffmärkte und beleuchtet damit verbundene Chancen und Herausforderungen.

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Editorial

Bei Vontobel steht die aktive Gestaltung der Zukunft von Investitionstätigkeiten im Mittelpunkt. Unsere Aufgabe ist es, Anlegern die Chance zu geben, eine bessere Zukunft zu gestalten. Da trifft es sich gut, dass zukunftssicheres Anlegen gerade jetzt eine unserer strategischen Prioritäten ist. Vor dem Hintergrund des Klimawandels müssen wir uns mit der gesamten Anlegergemeinschaft zusammentun, um dieses weltweit dringende Problem in Angriff zu nehmen.

Als global agierendes Investmentunternehmen und Unternehmensbürger haben wir uns verpflichtet, diesen Kampf nach besten Kräften und Möglichkeiten aktiv mitzugestalten. Wir möchten einen Beitrag zur Erreichung der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) leisten und bekennen uns zum Übereinkommen von Paris und dessen Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C, im Idealfall auf 1,5 °C, zu begrenzen.

Diesen Kampf kann ein Sektor – geschweige denn ein Unternehmen – unmöglich allein gewinnen. Nur in Zusammenarbeit können wir die Massnahmen umsetzen, die im Moment so dringend notwendig sind. Da es nach aktuellem Stand nur wenige Unternehmen schaffen werden, ihre Emissionen um die vereinbarten sieben Prozent pro Jahr zu senken, dürfen wir keine Zeit mehr verlieren. Zu sagen, die Reduktion der CO2-Emissionen sei dringend, wäre eine Untertreibung. Der Finanzsektor kann im Kampf gegen den Klimawandel einen Beitrag leisten, indem er Marktteilnehmern den Zugang zu den Kohlenstoffmärkten ermöglicht. Diese haben sich nämlich als hilfreiches Instrument entpuppt, um Unternehmen bei der Erreichung ehrgeiziger Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu unterstützen. 

Durch das Wachstum dieses Marktplatzes wurden erfreulicherweise die Kontrollen durch die Aufsichtsbehörden verschärft, die Transparenz der Berichterstattung erhöht und die Offenlegung von Informationen zu ESG-Kriterien verbessert. All diese Faktoren tragen wiederum dazu bei, dass die Kohlenstoffmärkte weiter unterstützt und akzeptiert werden. Mittlerweile haben sich bereits 44 Prozent der börsenkotierten Unternehmen ein Dekarbonisierungsziel gesetzt. Ein Grossteil der Schwerstarbeit wird gegenwärtig vom Compliance-Sektor gestemmt. Doch die freiwilligen Märkte werden in dem Masse an Dynamik gewinnen, wie die Dekarbonisierungsziele der Unternehmen in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Und genau hier lässt sich unserer Meinung nach etwas bewirken.

Als Investmentmanager betrachten wir die Kohlenstoffmärkte als effizientes Instrument: Sie sind insofern agnostisch, als dass sie die erforderlichen Anlageinstrumente nicht vorschreiben. Ausserdem unterstützen sie den Übergang zu einer grünen Wirtschaft und die Dekarbonisierung. Es gibt jedoch auch Herausforderungen, die nicht übersehen werden dürfen. Auch wenn die Kohlenstoffmärkte einen Lösungsansatz bieten, so sind sie doch nur ein Instrument aus dem Werkzeugkasten zur Erreichung der Netto-Null-Ziele. Und dieses Instrument ist auf das Management und nicht auf die Vermeidung von Emissionen ausgerichtet. Und darin liegen unserer Meinung nach die aktuellen Herausforderungen der Kohlenstoffmärkte.

Zunächst einmal reicht die gegenwärtige Bepreisung von Kohlenstoffgutschriften bei weitem nicht aus, wenn die Kohlenstoffmärkte einen ernsthaften Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2°C leisten sollen. Eine Erhöhung der Preise aber würde letztlich zu höheren Verbraucherpreisen führen, was die Frage aufwirft, wie sich ein negativer externer Effekt korrekt bepreisen lässt. Ferner besteht die Gefahr des Greenwashing, da auf Kohlenstoffmärkten keine realen Emissionsminderungen erzielt werden. Können Sie sich noch an die Berichte aus dem Jahr 2010 über gewisse Chemiebetriebe erinnern? Diese sollen ihre Emissionen des «Super-Treibhausgases» HFC-23 (Fluoroform, ein Nebenprodukt der HFC-22-Produktion) so manipuliert haben, dass sie Kohlenstoffgutschriften für deren vermeintliche Reduzierung erhalten haben. Darüber hinaus sollte beim Nutzen einer Investition für die Umwelt auch die Dringlichkeit einkalkuliert werden. Für die Wiederherstellung zerstörter Wälder sind beispielsweise Initiativen für die Anpflanzung von Bäumen notwendig. Aber kann es gelingen, innerhalb der Fristen des Übereinkommens von Paris einen echten Fortschritt in Sachen Dekarbonisierung zu erzielen, wenn wir bedenken, wie lange es dauert, bis ein Baum herangewachsen ist?

Letztendlich obliegt die Entwicklung der Kohlenstoffmärkte weitgehend den Regierungen und politischen Entscheidungsträgern. Diese Entscheidungsträger sind es, die die Rahmenbedingungen für den Umgang mit den Kohlenstoffmärkten festlegen. Sie bestimmen auch, wie leicht sich diese Märkte implementieren lassen und wie sie länderübergreifend koordiniert werden. Darüber hinaus entscheiden sie über die Höhe der Preise und das Verhältnis zwischen den Kohlenstoffmärkten und anderen Mechanismen zum Ausgleich von Kohlenstoffemissionen, wie etwa der Kohlenstoffsteuer. Massnahmen wie Standardisierungen und Audits würden die Effizienz der Märkte steigern. Aber wie bereits erwähnt ist dies ein Kampf, den wir dringend als Kollektiv anpacken müssen. Und Kapitalgeber haben die Möglichkeit – und meines Erachtens als Unternehmensbürger auch die Pflicht – eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung dieses Übergangs zur Dekarbonisierung zu übernehmen.

Als Investmentmanager beziehen wir Risiken, einschliesslich ESG- und CO2-Risiken, in unsere aktiven Anlageentscheidungen ein, um Gelegenheiten für qualitativ hochwertige und nachhaltige Investitionen auszumachen. Wir haben im vergangenen Jahr unsere sechs Nachhaltigkeitsziele definiert. Sie sind das strategische Fundament für unsere Zukunft und zeigen auf, wie wir als Unternehmen selbst Netto-Null erreichen wollen. Diese Ziele legen auch fest, wie wir unsere Kunden mit Know-how, Beratung und Anlagelösungen bei ihren Nachhaltigkeitsbemühungen unterstützen wollen. Wir können zudem Veränderungen in den Unternehmen, in die wir investieren, herbeiführen. Wir engagieren uns für eine Kohlenstoffminderung und motivieren sie, ihre Emissionen zu verringern, die Transparenz ihrer Aktivitäten zu erhöhen und nachhaltige Geschäftsstrategien zu verfolgen. Dies sind einige Massnahmen, die wir bei Vontobel im Hinblick auf die Förderung zukunftssicherer Anlagen ergreifen, um die Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu meistern und die damit verbundenen Chancen zu nutzen.

  

 

  

 

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