Market Update – «Whatever it takes»-Modus

Insights, Coronavirus, Geopolitik
24.03.2020 Lesezeit: 5 Minute(n)

Politische Entscheidungsträger wechseln in einen «whatever it takes»-Modus aufgrund steigender globaler Rezessionsrisiken

  • Die Zahl der COVID-19-Infektionen steigt weltweit auf über 350’000, wobei wir derzeit insbesondere in den USA einen starken Anstieg sehen.
  • Erste Anzeichen dafür, dass Italien seinen Höhepunkt bei den Infektionen erreicht hat.
  • Politiker rund um den Globus wechseln in einen «whatever it takes»-Modus: beispiellose politische Reaktionen auf einen beispiellosen globalen Gesundheitsnotstand.
  • Die Märkte bleiben volatil aufgrund der steigenden Wahrscheinlichkeit einer Rezession.
  • Wir beobachten die Situation weiterhin und behalten unsere derzeitige Vermögensallokation bei.

Über 350'000 Covid-19 Infektionen

Die Zahl der Infektionen nimmt weltweit exponentiell zu und liegt derzeit bei über 350'000. In praktisch allen wichtigen europäischen Ländern verdoppeln sich die Fälle etwa alle drei Tage, und der europäische Kontinent ist eindeutig zum Epizentrum der Pandemie geworden.

Neben Italien nehmen die Infektionen vor allem in Spanien immer noch rasch zu, gefolgt von Frankreich, Deutschland und Grossbritannien. In den USA wurden bis zum Wochenende mehr als 34'000 Coronavirus-Fälle registriert, was die Regierung dazu veranlasste, die US-Nationalgarde um Unterstützung zu bitten.

Grafik 1 - Kumulierte Infektionszahlen für Schlüsselmärkte.JPG


Innerhalb von Europa ist Italien für viele Beobachter nach wie vor Massstab für das Verständnis der zukünftigen Entwicklungen. Mit über 60'000 Fällen macht Italien den Grossteil der europäischen Infektionen aus (siehe Grafik 2). Da das Land als erstes in Europa Sperrmassnahmen eingeführt hat und angesichts der Tatsache, dass die Entwicklung hier im Vergleich zu anderen Ländern weiter vorangeschritten ist – etwa 2 Wochen vor anderen europäischen Ländern und 30 Tage vor den USA – versuchen Marktteilnehmer Rückschlüsse zu ziehen, wie wirksam Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sein könnten. Besonderes Augenmerk wird deshalb auf die Anzahl Neuinfektionen in Italien gelegt.

Grafik 2 - Kumulierte Invektionszahlen wichtigste europäische Länder.JPG


Erste Anzeichen dafür, dass die Anzahl an Neuinfektionen in Italien seinen Höhepunkt erreicht hat

In Italien nahmen die täglichen Neuinfektionen diese Woche den zweiten Tag in Folge langsamer zu.

In der folgenden Grafik wird die Anzahl der täglichen Infektionen in der chinesischen Provinz Hubei mit jener der italienischen Region Lombardei verglichen. Es gibt einige Ähnlichkeiten zwischen den beiden Regionen.
Erstens war die Provinz Hubei, ähnlich wie die Lombardei, das Epizentrum der Pandemie und macht mit 65'000 von mehr als 80'000 Infektionen den Löwenanteil der gesamten chinesischen Infektionen aus während sich die Zahl der Infektionen in der Lombardei auf 25'000 von gesamthaft 60'000 Fällen in Italien beläuft. Obwohl Hubei mit über 60 Millionen Einwohnern sechsmal grösser ist als die Lombardei, haben beide Regionen eine ähnliche Dichte mit 320 Einwohnern pro Quadratkilometer.

Grafik 3 - Tägliche Infektionen in Provinz Hubei verglichen mit der Lombardei.JPG


Obwohl dies mit einem hohen Mass an Unsicherheit verbunden ist, scheint es, dass die Lombardei den Höhepunkt der Neuinfektionen erreicht haben könnte.

Entscheidungsträger wechseln in einen «whatever it takes»-Modus

Im Bemühen, die wirtschaftlichen Auswirkungen durch die Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus abzufedern, haben Regierungen auf der ganzen Welt beispiellose Konjunkturpakete geschnürt. Gleichzeitig sehen wir auf globaler Ebene immer mehr Abschottungsmassnahmen, da die Gesundheitssysteme immer stärker belastet werden. In den folgenden Abschnitten beleuchten wir einige der wichtigsten Massnahmen.

Europa: Liquiditätsspritzen, Staatshilfe und fiskalische Anreize

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ein neues Anleihekaufprogramm in Höhe von EUR 750 Mrd. angekündigt und ist «entschlossen, ihre Rolle bei der Unterstützung aller Bürger der Eurozone in dieser extrem schwierigen Zeit wahrzunehmen ». Dies ergänzt Konjunkturmassnahmen wie einen negativen Einlagenzinssatz für Geschäftsbanken von minus 0.5%, EUR 20 Mrd. pro Monat für den Kauf bestehender Anleihen und bis zu EUR 2.3 Billionen für Bankenkredite. Unterdessen hat sich die Europäische Union bereit erklärt, die Regeln für staatliche Hilfen an Unternehmen bis Dezember zu lockern. Die europäischen Regierungen dürfen jedem von der Krise betroffenen Unternehmen Zuschüsse, Steuererleichterungen und Vorauszahlungen von bis zu EUR 800’000 gewähren. Schliesslich plant die Europäische Kommission, alle fiskalischen Regeln des «Stabilitäts- und Wachstumspakts» auszusetzen. Dies wird den Mitgliedsländern grünes Licht für eine Erhöhung der Verschuldung geben, um ihre lokale Wirtschaft zu stärken.

In Deutschland hat die Regierung Schritte unternommen, um ein strukturelles Defizit weit über die in normalen Zeiten geltende 0.35%-Grenze zu ermöglichen. Die fiskalische Reaktion auf die Krise könnte sich auf weit über EUR 600 Mrd. belaufen. Grossbritannien kündigte ein umfangreiches Paket an, das ein staatlich abgesichertes Kreditgarantieprogramm mit Garantien in Höhe von mindestens GBP 330 Mrd. (ca. 15 % des BIP), ein umfangreiches Beschäftigungsförderungsprogramm, eine Rettungsaktion für Fluggesellschaften und Flughäfen, Steuererleichterungen für Unternehmen und einen dreimonatigen «Hypothekenurlaub» umfasst. Frankreich wird bis zu EUR 300 Mrd. an Garantien für Unternehmen anbieten. Die Schweiz kündigte letzte Woche ein weiteres Paket in Höhe von CHF 32 Mrd. an, was ihre Unterstützung auf das Äquivalent von 6% des BIP bringen wird. Der Löwenanteil dieses Pakets wird aus Überbrückungskrediten für kleine und mittlere Unternehmen bestehen, die von der Pandemie betroffen sind.

Noch nie dagewesene Massnahmen in den USA und China

Die US-Regierung und der Kongress haben in den letzten Tagen weitreichende fiskalische Massnahmen angekündigt (Details sind dem Market Update vom 19. März zu entnehmen).

Anfang dieser Woche schlug die Regierung von Präsident Trump dem Kongress ein Konjunkturpaket in Höhe von USD 850 Mrd. vor, um Haushalte und Unternehmen zu unterstützen. Die vorgeschlagenen Massnahmen entsprechen einem geschätzten Wert von USD 2 Billionen oder fast 10% des nationalen BIP. Nur zum Vergleich: Der im Rahmen der globalen Finanzkrise 2008 unterstützende «Emergency Economic Stabilization Act» belief sich auf eine Höhe von USD 700 Mrd.

Schliesslich kündigte die Fed am Montag umfangreiche Massnahmen an, darunter den unbegrenzten Ankauf von Staatspapieren und hypothekarisch gesicherten Wertpapieren von Agenturen. Die Fed unterstützt die Kreditvergabe an grosse Arbeitgeber mit der Ausgabe neuer Anleihen und Krediten und mit der Bereitstellung von Liquidität für ausstehende Unternehmensanleihen. Zudem soll der Kreditfluss an Verbraucher und Unternehmen unterstützt werden.

China plant eine Finanzspritze in der Höhe von USD 7 Billionen um die Wirtschaft zu stärken.

Welche Faktoren könnten uns dazu bewegen, mehr Risiko einzugehen?

Wir gehen davon aus, dass die Unsicherheit in nächster Zeit hoch bleiben wird, da die Zahl der Neuinfektionen in den USA weiterhin exponentiell ansteigt. Eine Verlangsamung der Ausbreitung in China und erste Anzeichen dafür, dass der Höhepunkt in Italien erreicht ist, geben uns jedoch Hoffnung. Ermutigend ist auch das beispiellose Niveau der weltweiten geldund finanzpolitischen Unterstützung.

Wir glauben, dass eine wesentliche Änderung der folgenden Faktoren eine Stabilisierung der Aktienmärkte ermöglichen und möglicherweise zu einer Anpassung unserer Strategie führen könnte:

  1. Ein Plateau der Infektionsrate ausserhalb des Festlandes China.
  2. Starke Abwärtsrevision der Wachstumsprognosen des globalen BIP.
  3. Anzeichen für eine Bodenbildung bei den negativen Gewinnrevisionen der Analysten.
  4. Ein Stopp der Ausweitung der Kreditspreads.
  5. Konzertierte globale geld- und fiskalpolitische Konjunkturmassnahmen.

Einige dieser Massnahmen treffen bereits heute zu, besonders ermutigend sind die Anstrengungen der politischen Entscheidungsträger. Auch die Schätzungen von Analysten scheinen nun mit der Prognose einer Rezession realistischer zu sein. Wir benötigen jedoch weitere Hinweise für das Erreichen eines Plateaus der Neuinfektionsrate, insbesondere in Europa und den USA. Ausserdem ist auch eine stärkere Stabilisierung der Kreditmärkte von Nöten bevor wir zuversichtlich sind, dass wir eine Bodenbildung erreicht haben.

Wir werden Sie weiterhin über unsere Einschätzung der Situation informieren – und zu gegebener Zeit allfällige Änderungen unserer taktischen Vermögensallokation schnellstmöglich kommunizieren.

 

  

 

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