Damit der Kreis sich schliesst
Die Digitalisierung hat das Potenzial, die Kreislaufwirtschaft technologisch voranzubringen. Was heisst das für Anlegerinnen und Anleger?
Voraussichtlich 90 Prozent des Weltmarktes für Lithium-Ionen-Batterien gehen bis 2025 auf das Konto von Elektro- und Hybridautos. Doch was geschieht mit den Millionen verbrauchter Batterien, wenn diese Autos ihr Lebensende erreicht haben?
Eine Reportage über neuste Investitionen ins Autobatterie-Recycling, die eine nachhaltige Wende vom fossilen Verbrennungsmotor zum umweltfreundlicheren Elektroantrieb antreiben.
Von
Alex Lee,
britischer Wissenschaftsjournalist und ständiger freier Mitarbeiter von Wired UK. Seine Reportage veröffentlichen wir hier als Teil unserer Publishing Partnership mit Wired UK.
Batterien mögen für die Umwelt weitaus besser sein als fossile Brennstoffe, aber sie hinterlassen immer noch einen beträchtlich grossen CO2-Fussabdruck. Erst wenn man dieses Problem löst, kann die grüne Revolution wirklich halten, was sie verspricht.Es wird geschätzt, dass der Abbau und die Veredelung von Rohstoffen 30 Prozent der Treibhausgasemissionen einer Batterie verursachen.
In Västerås, einer kleinen Stadt in Mittelschweden, befindet sich eine experimentelle Anlage für das Recycling von Batterien. Die Firma Northvolt hat sich hier zum Ziel gesetzt, die Rohstoffe aus einer verbrauchten Batterie zurückzugewinnen und sie für neue Energiespeicher wiederzuverwenden. Gegründet wurde Northvolt 2016 von zwei ehemaligen Tesla-Managern. Gelingt ihnen der Durchbruch beim Batterie-Recycling, wäre das – sofern er skalierbar ist – ein Meilenstein bei der Bewältigung der Klimakrise. Die Anlage ist seit Mitte 2020 aktiv und produziert bereits funktionierende Test-Batterien.
Northvolt ist in gewisser Hinsicht Europas Antwort auf die beeindruckenden Leistungen von Tesla. Seit 2019 baut das Unternehmen in seiner Heimat Schweden die erste Giga-Fabrik Europas, mit dem Ziel, bis 2030 rund 25 Prozent des europäischen Automarktes beliefern zu können. Wenn die Pilotanlage erfolgreich ist, wird direkt neben der Giga-Fabrik, die am Rande der Industriestadt Skellefteå in Nordschweden liegt, eine Mega-Recyclinganlage errichtet werden.
Im Moment ist das Recycling von Batterien für Elektroautos ein komplexes und technisch schwieriges Unterfangen. Noch vor dem eigentlichen Recycling der Batterie muss Northvolt einen sicheren Weg finden, um die Einzelteile mit all ihren giftigen, brennbaren Chemikalien in ihre Anlage zu transportieren. Es ist ein Prozess, bei dem man eine Reihe von Sicherheits- und Regulierungsauflagen überwinden muss. «Wann immer ein Akku aus dem Auto demontiert wird, muss er sicher behandelt werden», sagt Emma Nehrenheim, Chief Environmental Officer von Northvolt. «Es ist sehr teuer und zeitaufwändig, dies auf eine sichere Art und Weise zu tun.»
Sobald eine Batterie sicher zum Recyclingzentrum von Northvolt transportiert wurde, findet der Prozess der Demontage und Entladung statt. Das Problem ist, dass Batterien dazu neigen, zu explodieren, wenn sie falsch zerlegt werden. Es gibt Lithium, Nickel, Mangan, Graphit und Kobalt – alles eingebettet in Stahl, diverse Legierungen und Kunststoff. Eine vollständige Entladung der Batterie entfernt jede gespeicherte Energie und verhindert unerwünschte thermische Reaktionen, die dazu führen könnten, dass die Batterie Feuer fängt oder explodiert.
Während die Demontage des Batteriesatzes derzeit noch von Hand erfolgt, befindet sich Northvolt laut Nehrenheim mitten in der Entwicklung eines automatisierten Demontagesystems. Dies wird den Prozess nicht nur beschleunigen, sondern auch sicherer machen. Das grosse Hindernis, das es für die Maschinen zu überwinden gilt, ist das Batteriedesign: Meist sind keine zwei Stücke sind gleich gebaut und das zwingt die Recyclingbetriebe, unterschiedliche Anlagen für die verschiedenen Batterie-Modelle zu konstruieren.
Nachdem die Batterie sicher demontiert und die Zellen und Module geborgen worden sind, beginnt Northvolt damit, diese Zellen im Vakuum zu zerkleinern. So wird sichergestellt, dass sie nicht mit reaktiven Gasen wie Kohlendioxid und Sauerstoff in Berührung kommen, die die Materialien in den Zellen kontaminieren könnten. Der flüssige Elektrolyt wird verdampft und kondensiert und findet an anderer Stelle im chemischen Prozess Verwendung.
Das zerkleinerte Material wird dann auf Grundlage seiner verschiedenen Eigenschaften sortiert. Man stelle sich das vor wie ein grosses Sieb, das die grösseren Bestandteile sammelt und sie von den kleineren trennt, während ein Magnet magnetische und nichtmagnetische Metalle aussortiert. All dies wird dann an nahe gelegene Recyclinganlagen geliefert. «Wir sind beim Recycling auf Partnerschaften angewiesen», sagt Nehrenheim. «Kupfer ist etwas, für das wir kein eigenes Verfahren haben. Aluminium ist ein weiterer Fall, bei dem wir mit Partnern zusammenarbeiten», sagt Nehrenheim.
Sobald das gesamte zerkleinerte Material sortiert und nach Dichte, Magnetismus und Grösse getrennt worden ist, bleibt nur noch ein Haufen schwarzes Pulver übrig, etwas, das Nehrenheim als «Schwarzmasse» bezeichnet. Das Pulver besteht aus Nickel, Mangan, Kobalt, Lithiumhydroxid und Graphit, die wichtigsten Komponenten einer Lithium-Ionen-Batterie. Dieses Pulver durchläuft einen sogenannten hydrometallurgischen Prozess, bei dem das Schwarzpulver in ein Säurebad gekippt wird. Damit werden die Rohstoffe aus dem Pulver herausgelöst, so dass nur noch die Bestandteile zurückbleiben, die für die Herstellung einer neuen Batterie benötigt werden.
Im Moment ist der Prozess relativ langsam und komplex. Aber mit der Zeit hofft Northvolt, ihn beschleunigen und vereinfachen zu können. Anna Korre, Professorin für Umwelttechnik am Imperial College London, berichtet, dass es drei dominierende Methoden für das Recycling von Batteriezellen gibt. Die hydrometallurgische ist eine davon. Die beiden anderen sind pyrometallurgisches und direktes Recycling. Pyrometallurgisches Recycling ist, wenn die Zellen einer Batterie in einem Ofen bei 3.000 Grad Celsius geschmolzen werden. Dies ist ein vergleichweise drastischer Prozess, bei dem das gesamte Lithium verloren geht.
«Die hydrometallurgische Methode schneidet in Bezug auf seine Ökologie besser ab. Sie birgt eine 30-prozentige Verbesserung des Kohlenstoff-Fussabdrucks, wenn das Recycling einbezogen wird», sagt Korre. In Deutschland verwendet die Firma Duesenfeld ein hydrometallurgisches Verfahren, um die Batterien zu recyceln. In Belgien setzt Umicore ein pyrometallurgisches Verfahren ein.
Northvolt unterscheidet sich auch dadurch, dass es seine Energie zu 100 Prozent aus Wasserkraft bezieht, um die Anlage zu betreiben. Dies bedeutet, dass das Unternehmen das Potenzial hat, seine Treibhausgasemissionen noch weiter zu senken. «Wir begannen mit der Suche nach einem Standort, an dem wir einen möglichst hohen Anteil an erneuerbaren Energien nutzen können, um den CO2-Fussabdruck zu senken», sagt Nehrenheim. «In den nordischen Ländern gibt es gar einen Überschuss an alternativen Energien.»
Das Unternehmen will künftig die für die Herstellung der Batterien benötigten Rohstoffe direkt aus den Minen beziehen und die Kathoden selbst herstellen. Die Veredelung soll ebenfalls in der Nähe der Mine stattfinden. Dadurch, so hofft Northvolt, wird eine kürzere und nachhaltigere Lieferkette geschaffen, die leichter zu verfolgen und zu überwachen ist. Das unterscheidet sie von anderen Batterieherstellern, die lange, komplexe und globale Lieferketten in Kauf nehmen müssen. Viele Automobilunternehmen kaufen ihre Batterien von LG Chem und Panasonic, die ihrerseits die Materialien zur Herstellung der Kathoden von Lieferanten wie Umicore beziehen.
Zurzeit bezieht Northvolt keine Rohstoffe aus der Demokratischen Republik Kongo, wo die grosse Mehrheit des Kobalts (ein Hauptbestandteil der Batterien für Elektroautos) abgebaut wird. Im Jahr 2016 ergab ein Bericht von Amnesty International, dass 35.000 Kinderarbeiter in den Kobaltminen des Landes arbeiteten. Northvolt hofft zwar, Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo beziehen zu können, verkündet aber, dass es dies erst tun wird, wenn es auf nachhaltige und ethische Weise geschehen kann.
Das Recycling von Batterien für Elektroautos ist bereits ein wichtiges Thema. Mit dem steigenden Absatz von Elektrofahrzeugen wird es ein entscheidendes werden. «Es geht darum, die Möglichkeit zu schaffen, neue EV-Batterien auf den Markt zu bringen und die kosteneffizienteste Art des Recyclings zu evaluieren und zu schaffen», sagt Nehrenheim.
Der erste Block der Gigafactory-Recyclinganlage wird voraussichtlich 2022 in Betrieb gehen, um dort 25.000 Tonnen Batteriezellen pro Jahr zu recyceln.
Das mag nach viel klingen, ist aber nur ein Bruchteil des Gesamtabfalls, der durch die Zunahme von Elektrofahrzeugen verursacht wird. Das Wissenschafts-Journal «Nature» veröffentlichte 2019 die Einschätzung, dass eine Flut von bis zu 250.000 Tonnen Altbatterien auf uns zukommt – wenn man allein die 2017 verkauften Elektroautos berücksichtigt (weltweit mehr als eine Million). Das EU-Recht schreibt vor, dass die Batteriehersteller verpflichtet sind, ihre Altbatterien zurückzunehmen, sobald sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, und verbietet die Entsorgung von Autobatterien auf Deponien und durch Verbrennung.
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«Die Sorge, dass die Batterien in den meisten Ländern auf Deponien landen, ist unbegründet. Es gibt weltweit sehr strenge Vorschriften», sagt Paul Anderson, Hauptforscher für das Projekt zum Recycling von Lithium-Ionen-Batterien der Faraday Institution. «Wir müssen sie recyceln. Es gibt kaum eine andere Möglichkeit, als die Batterien wiederaufzubereiten.»
Autobatterien grüner zu machen, erfordert nicht nur viel Wissen, es kostet auch viel Geld. Im Juli gab Northvolt bekannt, dass es 2,6 Milliarden Euro an Eigen- und Fremdkapital investiert hat, um die Entwicklung von zwei Lithium-Ionen-Gigafabriken voranzutreiben und die Forschung und Entwicklung im Bereich Recycling zu verstärken. Das Unternehmen verfügt über Investitionen von BMW, Volkswagen, ABB und Siemens. Die Europäische Investitionsbank hat ihm 355 Millionen Euro geliehen.
Während Europa bei der Batterieproduktion deutlich im Hintertreffen ist, hofft Northvolt, den Vorstoss für grüne Batterien anführen zu können. Laut Bloomberg NEFs Lithium-Ionen-Batterie-Lieferketten-Ranking für 2020 ist China für 80 Prozent der weltweiten Rohstoffraffination verantwortlich. 77 Prozent der weltweiten Kapazität und 60 Prozent der weltweiten Komponentenfertigung kommen aus dem Reich der Mitte. «Das Problem mit China ist, dass seine Energieversorgung derzeit stark von Kohle abhängt, was bedeutet, dass sein CO2-Fussabdruck sehr gross ist», sagt Korre. «Die andere weit verbreitete Besorgnis betrifft die Einhaltung der Umweltvorschriften.»
Der Druck, den China von sauberen, grüneren Rivalen in Europa und anderswo erfährt, könnte die Batterie-Fertigungsketten verändern. Paul Anderson, Co-Autor einer wissenschaftlichen «Nature»-Studie, prognostiziert, dass bald jede Batteriefabrik in Nachbarschaft eines Recyclingwerks steht – unabhängig davon, ob die Batteriefabrik selbst ein Recyclingwerk baut oder eine Handelspartnerschaft mit einer nahegelegenen Anlage eingeht. Und der Grund dafür müsste noch nicht einmal der CO2-Fussabdruck sein. «Es wird mehr oder weniger automatisch geschehen, was auch immer die Betreiber für ökologische Ziele haben», sagt er. «Es geht um die Gewinnmargen der Hersteller. Es ist sinnvoll, Produktionsschrott oder mangelhafte Zellen, die durch die Qualitätskontrolle fallen, wiederaufzuarbeiten.»
Bis zum Jahr 2030 hofft Northvolt, dass 50 Prozent der Rohstoffe, die es für die Herstellung seiner Batterien benötigt, aus Recyclingmaterial stammen werden. Bis dahin peilt Northvolt einen Anteil von 25 Prozent des europäischen Marktes an. «Wir picken nicht die Rosinen aus dem Keks, wie wir in Schweden sagen», sagt Nehrenheim. «Und wir sprechen nicht nur von CO2-Emissionen oder vom Recycling von Kobalt. Es geht darum, sicherzustellen, dass künftig jeder weiss, was er kauft, und welchen Einfluss die erneuerbaren Energien auf die gesamte Lieferkette haben.»