Was können Sie in der neuen Inflationsphase tun?
Einerseits bringt die starke Vernetzung in der Welt von heute neue Risiken und Herausforderungen mit sich. Andererseits haben wir durch sie beispiellose Reaktionsmöglichkeiten. Oder konnten Anleger beim letzten historischen Inflationsanstieg ihre Portfolios etwa blitzschnell per Smartphone diversifizieren und vor Wertverlust schützen?
Die Zeiten ändern sich
Seit die Folk- und Protest-Ikone Bob Dylan in den 1960er Jahren die berühmte Zeile «The times they are a-changing» prägte, hat sich in der Tat vieles verändert in der Welt. Man muss nur die letzten Jahre betrachten: Die Welt musste eine Pandemie bewältigen, der Krieg ist zurück in Europa und die Inflation hat den höchsten Stand seit vier Jahrzehnten erreicht.
Der Siegeszug des Internets hat viele dieser Veränderungen mit sich gebracht – Finanzgeschäfte werden heute überwiegend online getätigt. Heute können Sie nicht nur an jedem Ort per Mobilgerät Umschichtungen in Ihrem Portfolio vornehmen, auch Marktmerkmale wie das Transaktionstempo haben sich dramatisch verändert. Man denke nur an den algorithmusgesteuerten Hochfrequenzhandel, der elektronische Trading-Tools nutzt, um rasend schnell Daten auszuwerten und Geschäfte zu tätigen. Auch Social Trading hat die Anlagedynamik verändert, indem es einzelnen Anlegern die Möglichkeit gibt, die Trades anderer Anleger und Experten online zu verfolgen und nachzubilden. Und natürlich hat die Vernetzung auch dazu geführt, dass Privatanleger sich organisieren und mit einer Stimme sprechen können.
Doch nicht nur im stark von technologischer Innovation und Digitalisierung bestimmten Finanzsektor hat sich einiges verändert. Auch unser gesellschaftliches Leben ist zunehmend vernetzt und immer rasanter. Eine Veränderung in einem entfernten Winkel der Welt kann zu schnellen und unerwarteten Auswirkungen über grosse Entfernungen führen. Unsere Gegenwart hat nicht mehr viel mit der Welt gemein, die Dylan einst besang. Doch erfahrene Anleger wissen, dass jeder Wandel auch Chancen eröffnet. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die bevorstehende Energiekrise sind gravierende, dramatische Ereignisse – das ist unstrittig. Die Frage ist, wie unsere Reaktion ausfällt.
Was hat sich verändert?
Wir sind eindeutig über die Phase nach der Pandemie hinaus, in der die Inflation nach Aufhebung der Lockdowns als vorübergehend eingestuft wurde. Diese Zeiten sind vorbei. Die wirtschaftliche Realität hat sich abrupt verändert: Die Inflation hat den höchsten Stand in vier Jahrzehnten erreicht. Wenn der Wert von Finanzanlagen erhalten oder gesteigert werden soll, sind höchstwahrscheinlich Anpassungen nötig.
Auf makroökonomischer Ebene hat das inflationäre Umfeld die grossen Zentralbanken gezwungen, energische Schritte zur Normalisierung der Geldpolitik zu unternehmen. Ihre Massnahmen wirken sogar noch drastischer als in der Vergangenheit, da sie auf eine beispiellose Phase der Niedrigzinsen und Wertpapierkäufe im Anschluss an die globale Finanzkrise 2008 folgen.
Es bleibt abzuwarten, ob die Zentralbanken die Inflation eindämmen können, ohne einen wirtschaftlichen Abschwung auszulösen, und ob sie dabei auf die Unterstützung der betreffenden Regierungen zählen können. So herrschte bei der Bank of England vor Kurzem Ausnahmezustand, nachdem die neue britische Premierministerin Liz Truss neue fiskalpolitische Massnahmen angekündigt hatte, darunter Steuersenkungen und Ausgaben ohne Gegenfinanzierung, die eine Rezession nicht verhindern und die Inflation nicht senken dürften, dafür aber die Verschuldung in Zeiten steigender Zinsen erhöhen werden. Truss’ Vorschlag lies das Vertrauen in die Fiskalpolitik der neuen Regierung erodieren und hatte einen breiten Ausverkauf mit erheblichen Marktverwerfungen zur Folge. Die Bank of England musste durch weitere Anleihenkäufe intervenieren, um eine Finanzkrise zu verhindern. Die Regierung reagierte schliesslich auf die negative Einschätzung der Märkte und verwarf ihre Pläne zur Senkung des Spitzensteuersatzes. Dieses Beispiel zeigt, welche Folgen eine mangelnde Abstimmung der Fiskal- und Geldpolitik haben kann.
Die allgemeine Unsicherheit hat Befürchtungen einer Rezession befeuert. Um eine hohe Wahrscheinlichkeit die Wirtschaft in eine Rezession zu stossen zu vermeiden, müssten die Zentralbanken ihren Straffungszyklus ein Stück weit verlangsamen. Das wiederum könnte die Inflation befeuern.
Auch das Anlageumfeld ist aufgrund der gestiegenen Inflation um einiges komplexer geworden. Mit steigender Inflation geht oft eine höhere Zinsvolatilität einher, was für wirtschaftliche Verunsicherung und ungewisse Ertragsaussichten sorgt. Dadurch sinkt die Risikobereitschaft von Anlegern an den Aktien- und Anleihemärkten.
Wie geht es jetzt weiter?
Anleger sollten diese Entwicklungen berücksichtigen, wenn sie über Diversifizierungsstrategien für ihre Portfolios nachdenken. Es gilt insbesondere als erwiesen, dass passives Abwarten in einem schwierigen Umfeld ebenfalls Risiken mit sich bringt. Wie haben bereits darauf hingewiesen, dass Sparer unter einer Inflation oftmals am stärksten leiden, da höhere Preise den realen Wert ihrer Ersparnisse erodieren lassen.
Nicht zum ersten Mal erleben die Märkte solche Herausforderungen. Was können wir also aus der Vergangenheit lernen? Bei steigenden Preisen und zurückhaltenden Verbrauchern lohnt es sich, zunächst nach Unternehmen Ausschau zu halten, die in ihren jeweiligen Sektoren über eine hohe Preissetzungsmacht verfügen. Das bedeutet, dass sie ihre Preise schnell anheben können, um ihre Margen zu schützen, ohne dass ihr Absatz darunter leidet.
Auch Unternehmen mit starken Marken oder solche, die in defensiven Sektoren wie dem Konsumgüter-, Nahrungsmittel- und Pharmasektor tätig sind, schneiden in der Regel besser ab. Defensive Titel zeichnen sich durch tendenziell stabile Erträge auch bei abkühlender Konjunktur aus. Das hängt zum einen damit zusammen, dass Verbraucher Produkte des täglichen Bedarfs wie Lebensmittel und Gesundheitsprodukte weiterhin konsumieren. Zum anderen weisen diese Sektoren bekannte Marken auf, denen Verbraucher auch bei einem allgemeinen Preisanstieg die Treue halten.
Die Finanzmärkte taxieren jedoch immer auch die Zukunft. Daher sollten Anleger flexibel bleiben und beobachten, ob die Inflation in den nächsten Monaten und Quartalen weiter steigt oder zurückgeht. Veränderungen der momentanen Situation werden sich in den Kursen niederschlagen. Weitere Rohstoffpositionen oder Rohstofftitel könnten sich als kontraproduktiv für das Portfolio erweisen. Einschätzungen und Portfolios müssen laufend angepasst werden.
Lösungen für eine neue Phase
Die Beständigkeit starker Marken zeigt, dass sich Verbraucher in turbulenten Zeiten an das halten, was sie kennen und als vertrauenswürdig empfinden. Mit den Umwälzungen verändern sich die Probleme und Herausforderungen, mit denen Anleger konfrontiert sind – wie auch ihre Anforderungen an die Lösungen. Finanzdienstleister müssen Anlegern auf diesem Weg zur Seite stehen. Wir bei Vontobel konzentrieren uns darauf, Anlegern mithilfe von Technologie den Aufbau einer besseren Zukunft zu ermöglichen. Dies steht im Einklang mit unserem Grundsatz: «Wir beherrschen, was wir tun – und tun nur, was wir beherrschen.»
Studien zeigen, dass die Nachfrage nach digitalen Vermögensverwaltungslösungen in den kommenden Jahren steigen wird. Gründe hierfür sind das wachsende Angebot sowie der Eintritt grosser Marktteilnehmer mit umfangreichem Kundenstamm in dieses Segment. Dies umfasst jüngst umfassende digitale Produktangebote, darunter Möglichkeiten zur individuellen Anpassung von Portfolios.
Als vor vierzig Jahren die Inflation letztmals auf dem Stand von heute lag, war die Omnipräsenz von digitalen Lösungen in allen Lebensbereichen für viele noch undenkbar. Auch Bob Dylan hätte sich in den 1960er Jahren wohl kaum träumen lassen, wie das Online-Streaming die Musikindustrie revolutionieren würde. Im Bereich der Finanzdienstleistungen verändert die Digitalisierung die Beziehung zwischen Unternehmen und Anlegern. Neue vermögende Kunden beispielsweise wünschen sich eine Rund-um-die-Uhr-Anlageberatung. Sie möchten ihre eigenen Anlageentscheidungen treffen, dabei aber nicht auf die Anlageexpertise eines etablierten Unternehmens verzichten. Auch die Möglichkeiten, die finanziellen Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen, haben sich gewandelt. Werfen Sie also im momentanen Inflationsumfeld einen Blick auf die neuen Tools und Lösungen, die Ihnen zum Werterhalt durch Diversifizierung zu Verfügung stehen – vielleicht haben Sie die Antwort auf Ihre Fragen schon zur Hand.
Weitere Informationen zum Thema Investieren in Zeiten erhöhter Inflation finden Sie hier: https://derinet.vontobel.com/CH/DE/blog/Artikel/investieren-in-zeiten-erhoehter-inflation