Whitepaper zum Machtpoker China vs. USA
Wer wird die Supermacht im digitalen Zeitalter? Und wie? 3 Szenarien von Eskalation bis Deeskalation.
Wie geht es dir? Etwas erkältet? Oder vielleicht doch etwas Schlimmeres? All das will das Silicon Valley von uns wissen. Unsere Gesundheitsdaten sind für die Big Tech-Unternehmen Gold wert.
©Wired
In den letzten Wochen gab es Meldungen, dass Google 50 Millionen Krankenakten von Amerikanern gekauft hat. Amazon hat diese Daten kostenlos erhalten, und der englische National Health Service (NHS) hat seine Datenbanken überarbeitet, um die Informationen noch teurer verkaufen zu können. Wenig Grund zur Freude für Verbraucher: Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage von YouGov sind 80 Prozent der Befragten dagegen, dass Technologie-Giganten solche Daten sammeln, nicht zuletzt weil der NHS von einer weiteren Privatisierung bedroht ist. Das ist seit zwei Jahrzehnten so, sagt Phil Booth, Koordinator der Aktivistengruppe MedConfidential. "In all den Umfragen und Untersuchungen, die ich seit 20 Jahren erlebt habe, ist das Unbehagen der Menschen bei der kommerziellen Nutzung ihrer Gesundheitsdaten konsistent."
Aber während wir im Allgemeinen mit akademischen oder öffentlich finanzierten Forschungen, die unsere medizinischen Daten verwenden, einverstanden sind, findet ein Grossteil der Forschung und Entwicklung im Bereich der KI in der Medizin in privaten Unternehmen statt, insbesondere in grossen amerikanischen Technologieunternehmen. Die sorgfältige Verwendung von Gesundheitsdaten kann Leben retten, die Kosten für die Bereitstellung von Gesundheitsleistungen senken und ganz nebenbei noch zu einem hübschen Nebenverdienst für die staatlichen Stellen sorgen. Tatsächlich rechnet eine Analyse der Unternehmensberatung Ernst & Young, die häufig von der englischen Regierung zitiert wird, vor, dass die Öffnung der Tresore der britischen Organisation für Gesundheit ihr bis zu £ 9,6 Milliarden pro Jahr in die Kasse spülen könnte. Auf Kosten der Privatsphäre vieler Versicherter. Und wenn man es den Big Tech-Firmen ermöglicht, die Gesundheitssyssteme noch detaillierter auszuforschen und Krankenhäuser langfristig in ihre Tech-Systeme zu integrieren, könnte das für den Patienten noch kostspieliger werden.
Die Risiken hängen von den Zielen des jeweiligen Unternehmens ab, das unsere Daten erhält. Also, was haben sie vor? Google machte im vergangenen Monat Schlagzeilen, als es die Gesundheitsdaten von 50 Millionen Amerikanern im Rahmen seines Project Nightingale-Vertrags mit dem US-amerikanischen Gesundheitsdienstleister Ascension verschlang und kürzlich auch noch FitBit, den Hersteller von Fitness-Trackern, erwarb. In Grossbritannien wurde dem Google-Unternehmen DeepMind von den Datenregulierungsbehörden auf die Finger geklopft, weil sie keine Patientenerlaubnis für ein Projekt mit dem Royal Free London NHS Trust eingeholt hatten. In der Zwischenzeit wurden jedoch ähnliche Projekte gestartet - diesmal allerdings mit der benötigten Patientenerlaubnis. Federführend war dabei die Firma Verily, die Gesundheitsabteilung von Alphabet.
Bis zu einem gewissen Grad ist das alles nicht neu. Google hat jahrelang versucht - und scheiterte -, eine E-Health-Plattform aufzubauen. Das Endziel besteht jedoch nicht mehr darin, unsere Daten einfach nur in einer von Google betriebenen Cloud zu sammeln, sondern Datensätze zum Aufbau von KI- und maschinellen Lernsystemen zu generieren. Google ist da nicht mehr allein, da auch Facebook langsam Gefallen an dem Geschäft mit der Gesundheitsversorgung findet. Deren KI-Abteilung arbeitet beispielsweise mit Radiologen der New York University zusammen, um ihnen das maschinelle Lernen zum Lesen von MRT-Scans beizubringen. Letztes Jahr wurden amerikanische Krankenhäuser gebeten, ihre Patientendaten zur Verfügung zu stellen, um die Krankenakten mit den Facebook-Profilen zu verknüpfen. Das Projekt wurde allerdings gestoppt, bevor die Daten flossen. Im Oktober stellte das soziale Netzwerk ein Tool namens "Preventative Health" vor, mit dem Amerikaner daran erinnert werden sollen, ihr Cholesterin zu testen oder eine Grippeimpfung zu erhalten. Facebook hat erklärt, dass solche Daten nicht für Marketing oder Werbung, sondern nur für die Förderung von Gesundheit und Forschung verwendet werden.
Und dann gibt es noch Apple, das seine Gesundheitsdaten nicht in Krankenhäusern einkauft, sondern die Patienten bittet, sie für sie zu beschaffen. Dies geschieht über das Apple Health-System auf den iPhones und der iWatch, indem man seine Aktivitäten, seinen Schlaf und vieles mehr nachverfolgen kann und sich so schon seit 2018 in den USA über die HealthKit-App seine eigene Gesundheitsakte zusammenstellen kann. "Apple ist ein interessanter Aussenseiter", sagt Eerke Boite, Interimsleiter der Fakultät für Informatik an der Universität De Montfort. "Anstatt, dass Apple seine eigene Datenbank aufbaut, ermutigen sie ihre Benutzer aktiv, Gesundheitsdaten - oder genauer: gesundheitsbezogene Daten - auf ihren eigenen Geräten zu erfassen." Boite lobt den Datenschutz, die Rechenschaftspflicht und die Transparenz, gibt jedoch zu bedenken, dass die Informationen an Regierungsbehörden weitergegeben werden könnten. "Chinesische iPhone-Nutzer sollten sich besser nicht anmelden", warnt er.
Die Verwendung von Gesundheitsdaten durch Amazon funktioniert etwas anders. Das Unternehmen fügt Informationen, die auf der NHS-Website generiert werden, seinem Sprachassistenten-System Echo hinzu, sodass der Benutzer "Alexa" nach seinem Gesundheitszustand oder Symptomen befragen kann. Diese Daten sind alle online verfügbar. Warum also so viel Aufhebens? "Ein Teil davon ist der erhöhten Sensibilität der Menschen gegenüber den Big Tech-Unternehmen geschuldet," sagt Booth. "Wir sind da schon etwas paranoid geworden".
Aber es gibt tatsächliche Bedenken, dass die Zusammenarbeit mit dem National Health Service nicht nur mehr Menschen dazu ermutigen wird, sich für den Überwachungskapitalismus von Amazon zu entscheiden - auch der englische Gesundheitsminister Matt Hancock begeistert sich für die Idee -, sondern uns Menschen auch darin trainieren wird, unsere medizinischen Daten mit Amazon zu teilen. Natürlich tun wir das bereits jedes Mal, wenn wir Google verwenden, um nach einem Symptom zu suchen. Booth warnt jedoch, dass die Daten, die aus der Befragung von Alexa zu gesundheitlichen Bedenken stammen, in Zukunft verwendet werden könnten, um ohne unsere Zustimmung einen AI-Symptom-Checker zu entwickeln. "Dies bringt die Menschen dazu, die KI von Amazon anhand der Daten von EU-Bürgern immer intelligenter zu machen", sagt er.
Vergangene Woche, als die Berichte über den Deal zwischen Amazon und der englischen Gesundheitsbehörde die Schlagzeilen füllten, ging dabei eine weitere Meldung unter: Über den Clinical Practice Research Datalink wurden Daten von britischen Hausarztpraxen für 10 Mio. GBP pro Jahr an amerikanische Pharmaunternehmen verkauft, um Medikamente zu entwickeln. Booth sagt, es sei keine Überraschung, dass Hersteller an solche Daten gelangen wollen. Schliesslich helfe das, um Präparate günstiger und wirksamer herzustellen. Dennoch müssen solche Bemühungen immer einvernehmlich, sicher und transparent ablaufen. Und die Information darüber sollte vom Hausarzt stammen und nicht aus der Zeitung.
Amerikanische Unternehmen sammeln Gesundheitsdaten, aber nicht alle aus den gleichen Beweggründen. Und warum vor allem in Grossbritannien? Es gibt andere Datensätze, die Google bereits in den USA aufgekauft hat. Der NHS ist allerdings aufgrund seiner Grösse und der Qualität der Daten ein lohnenswertes Ziel. "Der NHS verfügt über die weltweit grösste relativ homogene und qualitativ hochwertige Gesundheitsdatenbank", sagt Boite. "Sie reden immer davon, alle Daten in ihren Systemen in einer einzigen Datenbank zu vereinen." Der erste Versuch, einen solchen "Daten-Pool" zu erstellen, wurde mit dem care.data-System unternommen, das im Land so heftig kritisiert wurde, dass es nach einer Überprüfung durch die Regierung auf Verletzung der Privatsphäre eingestellt wurde. Jetzt versuchen sie es erneut. Dies geht aus einem kürzlich auf der Tech-Website The Register veröffentlichten Bericht hervor, der aufdeckt, dass umfangreiche Datenbanken mit britischen Patientendaten verkauft werden sollten.
Das stärkste Argument für den Austausch von Gesundheitsdaten ist, dass die Informationen anonymisiert sind. Ob dies tatsächlich möglich ist, wird seit langem bezweifelt. Betrachtet man beispielsweise den Vorschlag von Facebook, Hilfe für schutzbedürftige Personen zu erlangen. Im Rahmen dieser Pläne, die zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Cambridge Analytica-Skandals eingestellt wurden, wollte Facebook anonymisierte Gesundheitsdaten, einschliesslich demografischer Daten von Krankenhäusern bekommen, die mit den eigenen Nutzern verglichen werden sollten. Die Daten hätten also mit Klarnamen gekoppelt werden können.
Je mehr Daten überspielt werden, um so einfacher ist es, sie zu de-anonymisieren. Ein guter Grund, um die Datenmengen zu beschränken. "Bei angemessener Aggregation und Anonymisierung sollte das Risiko einer erneuten Identifizierung von Datensätzen (z. B. medizinische Aufnahmen und Diagnosen) grundsätzlich gering sein", sagt Christopher Yau, ein Mitarbeiter des Turing-Instituts. Breitere Datensätze, die für die Suche nach Mustern und Beziehungen verwendet werden, sind viel risikoreicher. "Wenn ein Unternehmen beispielsweise identifizierbare Lokalisierungsdaten (z. B. von Mobiltelefonen) hat, kann dies möglicherweise mit Krankenhausunterlagen verknüpft werden, die die Identität der Patienten aufdecken. "Wenn Sie beispielsweise mit Android arbeiten, weiss Google, wann Sie sich an einem bestimmten Tag beispielsweise in einem Krankenhaus befinden. Auch wenn Ihre Daten anonymisiert sind, so können sie doch mit anderen Profilen verknüpft werden. Sei es mit Google, Facebook oder ein Datenbroker für Online-Marketing, der dies für Versicherungsangebote missbraucht."
Es gibt einfache Schritte, die der National Helath Service oder andere Gesundheitsdienstleister unternehmen könnten, um diese Verknüpfungen zu vermeiden. Zu Beispiel, in dem die Weitergabe von Informationen eingeschränkt, Verwendungen streng reguliert und überwacht werden. "Indem Sie die Zugriffsbedingungen einschränken, geben Sie die Daten nicht weiter, sondern überlassen den Forschern nur die wichtigen Parameter, um damit arbeiten zu können", so Boite. "Volkszählungsdaten funktionieren schon so."
Nicole Kobie ist Autorin von WIRED, UK
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