Wie intelligent ist die künstliche Intelligenz?
Ein Interview mit Dr. Ralf Herbrich, Director Amazon Machine Learning
Jeder kennt Amazon aus Kundensicht – aber welche Rolle spielen der Bereich Amazon Research und innovative Technologien für den Erfolg des Unternehmens? Dr. Ralf Herbrich über die vielfältigen Herausforderungen und Aufgaben in seinem Verantwortungsbereich.
Dr. Ralf Herbrich ist Director von Amazon Machine Learning in Berlin © Amazon
Herr Dr. Herbrich, wir haben «Alexa» nach Ralf Herbrich gefragt. Als Antwort kam: «Der Erfinder der Haarbürste». Also fragen wir Sie direkt.
Lacht. Ralf Herbrich wurde in Ostdeutschland geboren, lebte auf einem Bauernhof, interessierte sich schon immer für Mathematik und studierte Informatik, als es so richtig los ging mit dem Internet.
Was genau tun Sie heute bei Amazon?
Um es einfach auszudrücken: Schon mit den ersten Suchmaschinen wurde klar, dass alles, was digital ist, auch analysiert werden kann. Und es wird nicht mehr lange dauern, dann sind alle unsere persönlichen und geschäftlichen Daten digital abrufbar – unser Puls in Echtzeit, unsere Laufgeschwindigkeit, unser Blutzuckerwert, unsere Adrenalinausschüttung oder unser Sauerstoffanteil im Blut. Wir bei Amazon Machine Learning versuchen, den Staub aus den Daten zu wischen und die reinen Ergebnisse herauszufiltern. Algorithmen werden immer klüger, aber was sie richtig schlau macht, sind die Regeln, die die Inhalte zusammenführen. Und diese Regeln werden von uns geschrieben.
«Wir wischen den Staub aus den Daten»
Wie finden und schreiben Sie diese Regeln?
Wir nützen in der künstlichen Intelligenz Mathematik, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik. Aber auch die beste Statistik kann keine echte Kontrolle über den Menschen erlangen. Die Frage, wann Maschinen echtes Bewusstsein erzeugen können, wird noch lange unbeantwortet bleiben.
Geben Sie uns einen Überblick über Ihre diversen Forschungs-Themen bei Amazon.
Als Händler ist Amazon in Deutschland schon seit 20 Jahren aktiv. Den Bereich Forschung und Entwicklung gibt es in Deutschland seit 2013. Wir betreiben dafür mehrere Standorte: Aachen, Dresden und Berlin. In Aachen und Berlin sind wir sehr forschungsorientiert aufgestellt. Aachen im Bereich Spracherkennung – zum Beispiel für Amazon Alexa – und Berlin im Bereich Machine Learning. In Dresden entwickeln wir Cloud-Dienste für Amazon Web Services. International ist Amazon im Bereich Machine Learning neben Berlin an fünf weiteren Standorten vertreten, nämlich in Bangalore, Seattle, Los Angeles, Cambridge und Barcelona.
Können Sie uns einige Themen nennen, an denen Sie gerade arbeiten?
In Berlin arbeiten wir beispielsweise an Algorithmen für die Prognose von Modenachfrage. Das heißt, wir versuchen die Modetrends, Farben und Styles von morgen aufzuspüren. Diese Algorithmen werden weltweit eingesetzt. Im Zuge der Einführung von Amazon Fresh, unserem Lieferdienst für frische Lebensmittel, entwickeln wir diese Algorithmen weiter, um die Haltbarkeit von verderblichen Waren – zum Beispiel von Erdbeeren – prognostizieren zu können. Darüber hinaus versuchen wir, Sprachbarrieren zu überwinden. Allein in Europa gibt es 26 Hauptsprachen und unzählige Dialekte. Durch diese Sprachvielfalt ist digitaler Inhalt im Moment auf einzelne Märkte begrenzt. Die Menge an Inhalt macht es schlichtweg unmöglich, alles mit Übersetzern zu bewältigen. Dies ist definitiv eine große wissenschaftliche Herausforderung.
«Wir erforschen die Modetrends von morgen»
Wie bewerten Sie das Potenzial von Ideen? Haben Sie hierfür klare Kriterien?
Wenn wir entscheiden, an welchen Themen wir arbeiten wollen, dann stellen wir uns drei einfache Fragen: Führt die Idee zu mehr Auswahl für die Kunden? Senkt die Idee die Kosten für die Kunden? Führt die Idee zu mehr Bequemlichkeit für die Kunden? Fakt ist, dass kein Kunde weniger Auswahl oder höhere Preise möchte. Bei den Kosteneinsparungen ist meines Erachtens noch sehr viel möglich. Letztlich handelt Amazon größtenteils mit physischen Waren, die wie bei jedem Händler zu Lagerkosten führen. Gleichzeitig wächst das Produktportfolio weiter, und kürzere Lieferzeiten erfordern die Lagerung nah beim Kunden. Amazon ist mit Büchern gestartet und handelt über Amazon Fresh inzwischen auch mit verderblichen Lebensmitteln. Weltweit verderben in der Lieferkette von Lebensmitteln ein Drittel der Waren zwischen Ernte und Konsum, in den USA ist es sogar die Hälfte aller Lebensmittel. Dies schlägt natürlich generell auf den Preis durch. Bei Amazon unterstützen wir die Entwicklung moderner Sensorik und Algorithmen, die die Haltbarkeit verderblicher Waren und die lokale Nachfrage prognostizieren können. Dies spart uns und auch dem Kunden sehr viel Geld.
Welche Rolle spielen disruptive Technologien für Ihre Forschung?
Hier ist meine Antwort vermutlich anders, als Sie es erwarten würden. Amazon ist nämlich primär auf den Kunden ausgerichtet. Die zentrale Frage für unseren Forschungsbereich ist daher, welche Kundenprobleme wir in den nächsten drei Jahren lösen müssen und wie wir das Kundenerlebnis optimal gestalten können. Für diese Probleme suchen wir die passenden Technologien und arbeiten dann an entsprechenden wissenschaftlichen Durchbrüchen. Es geht also nicht primär um Technologien, sondern darum, das Einkaufserlebnis unserer Kunden einfacher und effizienter zu gestalten.
Wie stellen Sie bei der langen Vorlaufzeit Ihrer Projekte die Kundenorientierung sicher?
Bei Amazon beginnt jedes Forschungsprojekt mit einer Pressemeldung. Diese Pressemitteilung skizziert, wie das Kundenproblem gelöst wird, welchen Mehrwert die Lösung stiftet und insbesondere wie das Kundenerlebnis aussehen soll. Normalerweise entwickelt man eine Pressemeldung am Ende eines Projektes – wenn alles fertig ist, schreibt man den Text. Wir machen es genau umgekehrt, um sicherzustellen, dass wir konsequent in Kundenkategorien denken und Lösungen nicht unnötig komplex werden. Wir verrennen uns somit nicht in technischen Details. Unsere Fragen lauten: Wie kommen unsere Lösungen beim Kunden an? Wie viele Kunden werden von der Lösung profitieren? Ist die Lösung eventuell zu ambitioniert, zu futuristisch oder zu unsicher?
«Jedes Projekt startet mit einer Pressemeldung»
Künstliche Intelligenz entscheidet schon heute darüber, was wir im Internet sehen, welche Bücher wir kaufen, oder sie zeigt uns, was unsere Freunde gerade tun. Haben Sie bei Amazon in Ihren Programmen auch so etwas wie einen «Notschalter», wenn einmal etwas schiefgeht?
Künstliche Intelligenz soll den Menschen in seinen Entscheidungen unterstützen, nicht bevormunden. Deshalb haben wir in unseren Programmen so etwas wie eine Spurensicherung. Und wenn wir feststellen, dass etwas zu sehr von früheren Prognosen abweicht, dann untersucht ein Mitarbeiter den Algorithmus manuell und prüft, ob sich irgendwo ein Fehler in unsere Berechnungen eingeschlichen hat.
Werden wir dank Künstlicher Intelligenz irgendwann aufhören, selbst zu denken? Oder muss Amazon irgendwann überhaupt nicht mehr forschen, weil das Roboter übernehmen?
Nein! Künstliche Intelligenz nimmt uns das Denken nicht ab, sondern sie hilft uns, bessere Entscheidungen zu treffen. Oder anders: Schlaue Maschinen machen uns noch schlauer.
Wissenschaftliche Forschung verfolgen wir bei Vontobel mit grosser Neugierde und Aufmerksamkeit. Das gibt uns die Chance, neue Investment-Möglichkeiten frühzeitig zu erkennen. Darum widerspiegeln unsere Themenportfolios und Themeninvestments auch Megatrends wie die Digitalisierung: Indem sie Unternehmen berücksichtigen, die wertvolle Beiträge zur Lösung von globalen Herausforderungen leisten.
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