Dividenden und ihre Vorteile in Zeiten der Unsicherheit

Videos, Insights, Perspektiven 2022, Geopolitik, Geopolitics Aktualisiert am 10.10.2022
Ursprünglich veröffentlicht am 20.09.2022 Lesezeit: 6 Minute(n)
Ein Taucher auf Schatzsuche: Dividendenaktien können in Zeiten der Unsicherheit ein planbares Einkommen beisteuern

Was genau ist eine Dividende – und worauf sollten Anleger achten?

Eine Dividende ist, vereinfacht gesagt, die Ausschüttung des Gewinns eines Unternehmens – vollständig oder in Teilen – an seine Aktionäre. In Zeiten geopolitischer Unsicherheit, in denen die Kurs­gewinne von Aktien seltener sind und Verluste sich häufen, kann die Dividenden­ausschüttung von Unternehmen eine willkommene Einkommens­quelle sein.

Erfahren Sie, wie Experten Dividendenaktien beurteilen und wie Unternehmen über die Ausschüttung von Dividenden entscheiden.


Im Video: Verfolgen Sie die Analysen von JP Britz und Vadim Safranov, Portfolio Manager und Senior Client Portfolio Manager im Wealth Management. © Vontobel 2022.

  

Die meisten Investoren schätzen es, wenn Unternehmen Ihre Gewinne als Dividenden ausschütten. Selbst der Gründer, CEO und Verwaltungsrats­präsident eines Schweizer Biotech-Unternehmens, der jahrelang dafür plädierte, jeden erwirtschafteten Franken wieder zu reinvestieren, berichtete uns darüber, wie sehr ihn die erste Dividenden­zahlung seines Unternehmens  erfreute – sie gab ihm ein Gefühl der Zufriedenheit. Warum?

Die Vorteile von Dividenden liegen auf der Hand: Für private Investoren generieren sie einen willkommenen Geldzufluss. Institutionellen Anlegern wie zum Beispiel Versicherungs­gesellschaften oder Pensions­kassen­fonds helfen sie bei der Finanzierung laufender Ausgaben.

Die Wichtigkeit des Themas spiegelt sich auch an den Märkten wider, zum Beispiel im so­genannten «Dividend Aristocrats» Index. Dieser Index umfasst die Unternehmen des S&P 500, die in jedem der letzten 25 aufeinander­folgenden Jahre ihre Basis­dividende ausbezahlt und erhöht haben.

Doch die Ehre, zu den Dividenden-«Perlen» zu gehören, hat auch ihre Schattenseiten: Kürzt ein Titel mit zuverlässiger Dividende unerwartete seine Ausschüttung, führt dies häufig zu einer negativen Kursreaktion. Denn von Anlegern wird die Dividendenkürzung als ein wichtiges negatives Signal für die langfristigen Aussichten des Unternehmens angesehen.

Vorteile von Dividenden

Einer der langfristigen Vorteile von Aktien, die hohe Dividenden auszahlen, sind potenziell höhere Renditen und eine geringere Volatilität. Dividenden können auch dazu beitragen, Verluste in Baisse-Zeiten abzufedern. Betrachtet man die letzten drei Bärenmärkte, in denen der S&P 500 um mehr als 30 Prozent fiel, so schnitten die S&P 500 Dividend Aristocrats zwei Mal besser ab als der S&P 500 Index. Dies geschah zum ersten Mal beim Platzen der Technologie­blase (September 2000 bis Oktober 2002) und zum zweiten Mal während der globalen Finanz­krise (Oktober 2007 bis März 2009). In beiden Fällen war die Out­performance signifikant oder sogar sehr signifikant. In jüngster Zeit, während der COVID-19-Turbulenzen, erzielten die «Dividenden Aristokraten» eine geringfügig schlechtere Performance.

Wie lässt sich die unterschiedliche Performance von Dividendenaktien erklären?

Ein positives Beispiel ist die Out­performance von Dividenden­titeln beim Platzen der Technologie­blase. Sie überrascht im Prinzip wenig, denn Technologie­unternehmen sind meist Wachstums­unternehmen (Growth-Titel), keine Dividenden-Perlen. Lieber reinvestieren sie ihr Kapital, als es an die Aktionäre auszu­schütten. Entsprechend lässt sich die Outper­formance der Dividend Aristocrats durch das Fehlen von Technologie­titeln im Index erklären.

Im Gegensatz dazu profitierten Tech-Aktien und allgemein Growth-Titel eher von gewissen Effekten der Corona-Pandemie. Da diese «Gewinner» kaum unter den Dividend Aristocrats zu finden sind, litt die Performance des Index im Verlgeich mit dem S&P 500. Nun stellt sich die Frage:

«Ist die Out­per­for­mance der ‹Dividend Aristocrats eine Folge der Dividende oder eher des allgemein defensiveren Geschäfts­modells, vergleicht man es mit Wachs­tums­unter­nehmen und ihrer Präsenz im S&P 500?»
  S&P 500 S&P 500
DIVIDEND ARISTOCRATS
OUT­PERFOR­MANCE
Platzen der Tech-Blase
(1.9.2000–9.10.2002)
–47.4% +4.7% +51.4%
Globale Finanz­krise
(9.10.2007–9.3.2009)
–55.2% –47.2% +8.0%
COVID-19
(19.2.2020–23.3.2020)
–33.8% –35.2% –1.4%

 

Dividende ist nicht gleich Dividende

Es ist falsch, Dividenden nur nach ihrem Nenn­wert zu beurteilen, denn nicht alle Dividenden sind gleich. Ihre künftige Entwicklung – etwa Wachstums­verlauf, Stabilität oder Vorher­sag­barkeit – hängt von unternehmens­spezifischen Faktoren ab.

Wer einzig in Unternehmen mit der höchsten Dividende investiert, der riskiert, dass die Anlage­strategie langfristig nicht aufgeht. Zur Veranschaulichung erstellten wir ein Beispiel-Portfolio über die letzten fünf Jahre, das gleich­gewichtet die zehn Schweizer SPI-Titel mit der jeweils höchsten Dividenden-Rendite enthält (Micro-Cap-Unternehmen, also Unternehmen mit geringer Markt­kapitalisierung, schlossen wir aus). In diesem Zeitraum wäre die Gesamtrendite* des Portfolios hinter dem Benchmark (SPI) zurückgeblieben – selbst unter der Annahme, dass keine Steuern auf Dividenden und keine Transaktions­kosten anfielen.

* Gesamtrendite hier: Kapitalzuwachs inklusive Dividenden

Folglich sollten Investoren die Dividenden­perspektiven jedes Unternehmens einzeln bewerten und ihre Anlagen entsprechend diversifizieren. Denn die Erfahrung zeigt: Eine hohe Dividende kann gleicher­massen das Ergebnis einer starken Cash-Generierung sein wie auch ein Zeichen für eine Notlage oder ein Mangel an Wachs­tums­chancen eines Unternehmens.

 

Im Vergleich: Dividenden-Portfolio vs. Swiss Performance Index (SPI)

Liniendiagramm: Performance der zehn besten Schweizer Dividendenwerte im Vergleich zum Swiss Performance Index SPI


© Vontobel 2022


Beispiel-Portfolio bestehend aus den jeweils zehn dividenden­stärksten Aktien, gleich­gewichtet, in CHF
Swiss Performance Index (SPI) in CHF

Die Daten decken einen Fünf­jahres­zeit­raum vom 31.08.2017 bis 31.08.2022 ab. Dividenden­aktien einge­grenzt auf Unternehmen mit einer Markt­kapitalisierung von mindestens 500 Millionen Schweizer Franken.

Hinweis: Die Performance in der Ver­gangen­heit stellt keinen ver­lässlichen Indikator für aktuelle oder künftige Entwicklungen dar. Nicht übertragbar auf alle Regionen oder Anlagestile.

  

Um zu verstehen, was sich hinter der Dividen­denausschüttung eines Unternehmens verbirgt, sollten Anleger die Details unter die Lupe nehmen (Bottom-up) und in Erfahrung bringen, ob die Ausschüttungen einer soliden Kapital­allokations­politik folgen. Eine Kapital­allokations­politik schafft Transparenz und verbessert die Möglichkeiten, abhängig vom Geschäfts­modell künftige Dividenden­zahlungen vorherzusehen.

Auch strukturelle und kulturelle Unterschiede sollten keinesfalls ignoriert werden. In den USA wird Kapital weitaus häufiger über Aktien­rückkäufe an die Aktionäre zurück­geführt als in Europa oder in der Schweiz. In den USA ist diese «Rück­kaufs­rendite» oft sogar höher als die Dividenden-Rendite. Während die Rück­kaufs­rendite für den S&P in den letzten fünf Jahren zwischen 1,64% und 3,84% lag, lag die Dividenden-Rendite zwischen 1,27% und 2,17%. Dies zeigt ein weiteres Merkmal von Rück­käufen: Sie bieten den Unternehmen weitaus mehr Flexibilität. Denn ein Unternehmen wird viel weniger davor zurück­schrecken, ein Aktien­rückkauf­programm zu kürzen oder zu beenden, als die Dividende zu kürzen oder ausfallen zu lassen.

In den letzten Jahren haben die grossen Schweizer Banken begonnen, sich auf Aktien­rück­käufe zu konzentrieren, um ihre Basis­dividende zu ergänzen. Die Dividenden liefern für Aktionäre eine Konstante, auf die aufbauend umfangreiche Rück­käufe getätigt werden können, wenn über­schüssiges Kapital vorhanden ist.

 

  

Was bedeuten Dividenden für Unternehmen?

Um eine Unternehmensstrategie umsetzen zu können, muss das Unternehmen auch darüber entscheiden, wie es sein Kapital einsetzen will. Ein zentraler Bestandteil dieser sogenannten «Kapitalallokation» ist die Kapitalrückführungspolitik.

  • Entweder wird das Kapital für den Betrieb und das Wachstum des Unternehmens eingesetzt – sei es organisch oder durch Übernahmen.
  • Oder das Unternehmen schüttet überschüssige Barmittel an die Aktionäre aus – entweder in Form von Dividenden oder durch andere Massnahmen wie Aktienrückkäufe.

Welchen Anteil der intern erwirtschafteten Mittel ein Unternehmen für welchen Zweck einsetzt, hängt von seiner Strategie und dem Umfeld ab, in dem es tätig ist. Wenn ein Unternehmen viele renditestarke, strategische Wachstumsprojekte vorantreibt, wird es wahrscheinlich den grössten Teil oder das gesamte Kapital diesen Projekten zuweisen, um zukünftigen Mehrwehrt für seine Aktionäre und Stakeholder zu schaffen. Zwei Beispiele:

Dividenden-zahlendes Unter­nehmen

Unternehmen mit geringen Divi­denden­aus­schüt­tungen

Nestlé ist ein Beispiel für ein Unter­nehmen mit einer klar defi­nierten Kapital­alloka­tions­strategie*, die auf fest­ge­legten Priori­täten beruht: Logitech, zum Vergleich, ist ein anderer Fall. Das Unter­nehmen ist ein Wachs­tums- und kein Divi­denden­titel. Ent­sprechend gelten hier andere Prio­ritä­ten bei der Kapital­allokation:
  • Organisches Wachstum,
  • Investitionen (zur Unterstützung von Marken und Produk­tions­kapa­zi­täten),
  • gefolgt von Dividenden,
  • externes Wachs­tum (Zu­käufe, Fusionen),
  • und Aktien­rück­käufe.
  • Investitionen in Wachstum,
  • Fusionen und Über­nahmen, wenn sich Mög­lich­keiten ergeben,
  • gefolgt von Dividenden**, aber ohne eine progres­siv steigende Dividende an­zu­peilen oder sich dazu zu ver­pflichten,
  • und zuletzt Aktien­rück­käufe**.
Was die Divi­dende betrifft, so strebt das Unter­nehmen in eine steigende Dividenden in absoluten Zahlen (Schweizer Franken) an. Angesichts der be­trächtlichen Cash-Generie­rung von Nestlé und seiner globalen Position hat die Aus­zahlung einer Dividende eine sehr hohe Priorität. Logitech verwendet einen weitaus geringeren Anteil seines Cash­flows für Dividenden. Folglich bietet sich das Unter­nehmen weniger für Aktionäre an, die sich stark auf regel­mässige Divi­denden­erträge konzen­trieren.


* Veröffentlicht auf Nestlés offizieller Website.
** Veröffentlicht auf Logitechs offizieller Website: neuster Dividenden-Bericht und vergangene Aktienrückkäufe.

Disclaimer: Dieser Vergleich ist nicht als Anlage­empfehlung oder -bewertung zu verstehen. Die erwähnten Unternehmen dienen einzig als Beispiele, um das Prinzip zu veranschaulichen.

 

Fazit

Unternehmen mit hohen Dividenden neigen dazu, sich in unsicheren Zeiten besser zu entwickeln. In den letzten 20 Jahren waren Bärenmärkte ein stärkerer Prädiktor für die Outperformance von Dividenden­aktien. Eine Garantie dafür gibt es jedoch nicht: Unsicherheit kann verschiedene Ursachen haben, die nicht zwangsläufig zu einer Börsen-Baisse führen. Als Ausnahme bleibt der sehr kurze, heftige Bärenmarkt in Erinnerung, der durch die Corona-Pandemie Anfang 2020 ausgelöst wurde und nicht als «typischer Bärenmarkt» gilt.

Anleger, die sich für Dividenden­aktien interessieren, sind unserer Ansicht nach gut beraten, die Geschäftsmodelle der Unternehmen und deren Kapitalallokationspolitik zu analyisieren. Nur so lässt sich künftiges Potenzial und die Zuverlässigkeit von Dividenden einschätzen – sodass Sie die Aktien-Selektion auf die eigenen finanziellen Bedürfnisse und Ziele abstimmen können.

  

  

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