Beim Mensch ist der Wurm drin: Identität im Spiegel der Genforschung
Wer sind wir? Was können wir noch werden? Die Gensequenz des Menschen ist entschlüsselt. Jetzt träumen Forscher von gezielten Genoptimierungen und neuen Therapiemöglichkeiten. Doch zu welchem Preis, weiss bis heute niemand.
Auf dem Weg zur Gentherapie: Wie Stammzellen wirken und wachsen, muss erst noch besser verstanden werden.
1990 startete das Humangenprojekt mit dem ehrgeizigen Ziel, die geschätzten 100’000 Gene des Menschen zu entschlüsseln. Heute, fast 30 Jahre später, wissen wir: Es sind gerade mal 30’000 Gene, in denen die Merkmale von uns Menschen von der Natur kodiert wurden. Das sind nur unwesentlich mehr als bei Würmern oder Fliegen. Und zur grossen Überraschung sind zentrale menschliche Eigenschaften wie etwa unser Nervensystem nahezu identisch mit denjenigen eines Wurms.
Der kleine, aber feine Unterschied
Was für den Wurm gilt, gilt auch für die Menschen untereinander. Obwohl wir genetisch gesehen zu mehr als 99 Prozent identisch sind, reagieren unsere Körper unterschiedlich auf Arzneimittel – und neigen in unterschiedlichem Masse zu bestimmten Krankheiten. Das lässt die Forscher hoffen, auf genetischem Weg auch Krankheiten wie AIDS oder Krebs therapieren zu können.
Dem Krebs aufs Gen gerückt
Noch ist die Forschung weit davon entfernt, einzelne Gene zweifelsfrei als «Krebsgene» benennen zu können. Doch selbst wenn dieses Wissen vorliegt, wirft eine Gentherapie heikle Fragen auf. Darf die Erbsubstanz einer Krebszelle so verändert werden, dass sie abstirbt oder vom Immunsystem erkannt und zerstört werden kann? Wie kann die Reaktion des Immunsystems vorhergesehen und kontrolliert werden? Welche Folgekrankheiten nehmen wir in Kauf, wenn wir unser Erbgut verändern?
Europa auf dem Weg zum Gentherapie-Tourismus
Die Frage wird bald nicht mehr sein, ob Gentherapien angeboten werden, sondern in welchem Umfang – und vor allem wo. Denn in der Schweiz sowie vielen anderen Ländern sind die gesetzlichen Bestimmungen heute derart strikt, dass Stammzelltherapien gegen Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose nicht zugelassen sind. So erstaunt es nicht, dass sich einige an Multipler Sklerose erkrankte Schweizer bereits im Ausland einer Stammzelltransplantation unterzogen haben.
Viele Betroffene scheinen also bereit zu sein, gesundheitliche Risiken auf sich zu nehmen, wenn keine alternativen Therapien existieren. Daher ist es umso wichtiger, Patienten offen über Chancen und Gefahren zu informieren und die Entwicklung von Behandlungsmethoden in gelenkten Bahnen voranzutreiben. Nur so kann das Humangenomprojekt noch zu dem wissenschaftlich wie menschheitsgeschichtlich historischen Wendepunkt werden, als den es 1990 angekündigt wurde.
Dies ist ein Beitrag über Genforschung und Gentherapie aus dem Wealth Management Magazin 2/2017 zum Thema «Transparenz schaffen».
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