«Bullen in Rot» am Rohstoffmarkt: Warum die Kupferpreise steigen
Insights, Nachhaltige Wertschöpfung
Aktualisiert am 31.01.2023
Ursprünglich veröffentlicht am 26.02.2021 von Stefan Eppenberger Lesezeit: 6 Minute(n)
Ursprünglich veröffentlicht am 26.02.2021 von Stefan Eppenberger Lesezeit: 6 Minute(n)
Im Februar 2021 rückte ein Markt ins Rampenlicht, der für viele Investoren lange Zeit vergessen schien: die Rohstoffbörsen. Insbesondere Kupfer hat mit einer Langzeithoch von sich reden gemacht. Lesen Sie mehr zu diesem Thema und erfahren Sie, warum Rohstoffe auch im Jahr 2023 ein interessanter Pfad für Investitionen sei können.
WIESO DIESES THEMA IM JAHR 2023 WICHTIG IST
Klimawandel und technologischer Fortschritt rücken Rohstoffe in den Fokus
Die Rohstoffbörsen sind wieder ins Rampenlicht gerückt, weil zum Beispiel Kupfer, Lithium und Nickel kritische Elemente für die Technologien von morgen sind.
- Die zunehmende Verbreitung elektronischer Geräte dürfte auch den Bedarf an Mineralien und Metalle erheblich steigern. Beschleunigend wirken zudem die wachsende Weltbevölkerung und der rasche technologische Fortschritt. Denn ohne Rohstoffe funktionieren weder unsere Mobiltelefone und Computer noch die wachsende Zahl von Elektrofahrzeugen auf unseren Strassen oder die Sonnenkollektoren auf unseren Dächern.
- Darüber hinaus ist zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens ein Übergang von fossilen Brennstoffen zu erneuerbaren Energien unerlässlich, was zu einer steigenden Produktion von Batterien, Elektromotoren, Windkraftanlagen und Solarzellen führen könnte.
Die Internationale Energieagentur (International Energy Agency, IEA) schätzt, dass der Anteil der Energietechnologien an der Gesamtnachfrage nach Kupfer und Seltenen Erden in den nächsten zwei Jahren auf über 40 Prozent steigen wird. Bei Nickel wird ein Wachstum von 60–70 Prozent und bei Lithium sogar fast 90 Prozent erwartet.
Die Unternehmen, die diese Materialien und Metallen fördern und verarbeiten, sowie die Unternehmen, die in der verbundenen Infrastruktur tätig sind, könnten davon profitieren und Anlegern attraktive Investitionsmöglichkeiten bieten.
Experten-Interview: Gründe für einen Rohstoff-Bullenmarkt
Gut zehn Jahre lang haben Investoren den Rohstoffmarkt als Bärenmarkt kennengelernt. Wer nicht schon seit Längerem an der Rohstoffbörse aktiv ist, kann unter Umständen nicht aus eigener Erfahrung einordnen, was wir aktuell erleben.
Stefan Eppenberger, bewegen wir uns auf einen Bullenmarkt zu?
Lassen Sie mich erst ein wenig ausholen… Um die Frage zu beantworten, möchte ich aufzeigen, wie es zu einem Bären- und Bullenmarkt im Rohstoffbereich kommt. Nehmen wir als Beispiel den letzten grossen Rohstoffzyklus von 2000 bis heute. Meist steht ein positiver Nachfrageschock am Anfang eines Bullenmarktes. In den 2000er-Jahren war dies der enorme Rohstoffbedarf aus China. Typischerweise kann die Angebotsseite mit dem hohen Tempo der Nachfrage nicht mithalten. Denn Abbauprojekte müssen meist über Jahre geplant und umgesetzt werden. Die daraus resultierende Knappheit an Rohstoffen sorgte währenddessen für höhere Preise an den Rohstoffbörsen. Der Bullenmarkt dauert solange bis sich die starke Nachfrage abschwächt. Oft geschieht dies gleichzeitig mit einem Überangebot von Rohstoffen aus den neu errichteten Produktionsstätten. Diese Konstellation führt zu fallenden Rohstoffpreisen, zu einem Bärenmarkt. Die Rohstoffproduzenten müssen ihre Investitionen monetarisieren, notfalls auch zu tieferen Preisen. Genau das haben wir in den letzten zehn Jahren erlebt.
Welches sind die Gründe, dass das Interesse an Rohstoffen wieder geweckt wurde? Haben wir es hier mit einem Hype zu tun – oder sehen Sie strukturelle Treiber?
Steigende Preise wecken natürlich immer das Interesse von Investoren (lacht). Es gibt verschiedene Interpretationen, warum Rohstoff-Investments an Attraktivität gewinnen können. Aktuell scheinen einige eine Trendwende bei der Inflation zu erwarten, angetrieben von den enormen geld- und fiskalpolitischen Unterstützungsmassnahmen während der Corona-Krise. Rohstoffe gelten allgemein als guter Schutz vor Inflation.
«Rohstoffe gelten allgemein als guter Schutz vor Inflation.»
Wir denken, für ein solches Inflationsszenario ist es wohl noch zu früh. Gerade weil nach der jüngsten Krise die Kapazitätsauslastung vieler Unternehmen noch zu tief ist. (Mehr zum Thema «Inflation» in diesem Grundlagenartikel.)
Der Preisanstieg seit Sommer 2020 hat unseres Erachtens vor allem fundamentale Gründe. Einerseits verbesserte sich die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe nach dem ersten Covid-19 bedingten Lockdown von Monat zu Monat. Besonders in China, das die Krise bekanntlich besser gemeistert hat, ist die Nachfrage nach Rohstoffen stark angestiegen. Gleichzeitig wurde in dieser Krise auch der Abbau von Rohstoffen stark eingeschränkt, teils freiwillig, teils gezwungenermassen. Wir beobachten, dass die Lagerbestände derzeit stark im Fallen begriffen oder bereits auf mehrjährigen Tiefständen angekommen sind.
Zusätzlich Phantasie in die derzeitige Preisrally bringt die Hoffnung auf einen neuen, positiven Nachfrageschock. Der starke Trend hin zu emissionsfreien Energieformen könnte Bewegung in die Rohstoffwelt bringen. Zudem wurden in den letzten fünf Jahren die Neuinvestitionen in Abbauprojekte aufgrund des Tiefpreisumfelds stark zurückgefahren. Es gibt also durchaus gute Gründe für einen neuen Rohstoff-Bullenmarkt.
Gerade Kupfer ist seit Mitte Februar mit Höchstpreisen aufgefallen. Warum glänzt ausgerechnet Kupfer fast schon goldig?
Kupfer ist und bleibt aufgrund der chemischen Eigenschaften unersetzlich bei der Elektrifizierung der globalen Wirtschaft. Die enormen regulatorischen Anstrengungen in den letzten Monaten zur Bekämpfung des Klimawandels dürfte hier einen Paradigmen-Wechsel nach sich ziehen. Beispielsweise wird für ein Elektroauto (Electric Vehicle, EV) viermal mehr Kupfer benötigt als für ein vergleichbares Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Noch höher wird die Nachfrage nach Kupfer im Aufbau neuer Solaranlagen, Windkraftanlagen und Energiespeichersysteme sein. In den letzten Monaten hat das rote Metall sicher auch von der starken Nachfrage aus China profitiert. Auch die Covid-19 bedingten Lieferengpässe aus Südamerika, die Region mit den grössten Kupfervorkommen, haben für Preisdruck gesorgt. Doch gerade weil viele Kupferlager bereits halbleer stehen, hat das Metall bei der ansteigenden Nachfrage aus erneuerbaren Energien Potenzial für weitere Preisanstiege. Ähnlich sieht es auch bei anderen Industriemetallen aus.
Bleiben wir noch beim Beispiel E-Mobilität: Was sollten Investoren auf dem Radar haben, wenn sie davon ausgehen, dass Elektroautos wortwörtlich «Fahrt aufnehmen»?
Die grossen Gewinner des EV-Booms sind Lithium, Kobalt und vor allem Nickel. Die Nachfrage nach Lithium wird sich bis 2030 voraussichtlich verdreifachen, jene für Kobalt und Nickel mindestens verdoppeln. Ab 2030 dürfte die Nachfrage dann nochmals stark zunehmen. Dies hängt stark davon ab, wie schnell die Elektroautos an Marktanteil gewinnen können. Laut Prognosen von BloombergNEF wird der EV-Anteil an den weltweiten Autoverkäufen von heute weniger als 3% auf mehr als 20% im Jahr 2030 anwachsen. Spätestens im Jahr 2037 sollten die Verkaufszahlen von Elektroautos höher als jene von Autos mit Verbrennungsmotoren liegen. (Lesen Sie hier mehr zum EV-Boom.)
«Spätestens im Jahr 2037 sollten die Verkaufszahlen von Elektroautos höher liegen als jene von herkömmlichen Autos.»
Dementsprechend stellt sich die Frage, ob das weltweite Angebot mit der stark ansteigenden Nachfrage mithalten kann. Grundsätzlich sind genügend Reserven vorhanden. Auch wenn man das Angebot durch Recycling oder neuer Quellen ausser Acht lässt, werden wir bis 2050 weniger als 50% der globalen Reserven ausgeschöpft haben. Weniger klar ist, wie schnell die Rohstoffe gefördert und verarbeitet werden können. Zum einen liegen derzeit viele Förderprojekte wegen der relativ niedrigen Preise auf Eis. Zweitens benötigen China und andere Emerging Markets (Schwellenländer) für den Aufbau ihrer Infrastruktur weiterhin grosse Mengen dieser Metalle, insbesondere Nickel. Drittens, und das gilt besonders für Kobalt, befinden sich die Abbaugebiete teilweise in Gebieten mit instabilen politischen Verhältnissen.
Blicken wir zum Abschluss noch auf das andere Ende der Waage. Wenn die E-Mobilität zunimmt, hat das auch Konsequenzen für die Öl-, Gas- und Kohleindustrie. Wie reagiert sie aktuell?
Die Abkehr von Verbrennungsmotoren dürfte negative Implikationen für die Erdölnachfrage mit sich bringen, da die globale Transportindustrie derzeit mit über 50% der Hauptabnehmer des schwarzen Goldes ist. Den grössten Anteil daran nimmt der Strassenverkehr mit rund 75% ein. Natürlich wird die globale Autoflotte noch einige Zeit auf Benzin angewiesen sein. Dank des strukturellen Trends zu mehr Mobilität in den Emerging Markets wird die Fahrzeugflotte auch weiterhin wachsen. Dennoch wird erwartet, dass die Nachfrage nach Öl – verursacht durch den Strassenverkehr – im Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreicht haben wird. Neben dem Umstieg auf EVs werden auch Effizienzgewinne beim Verbrennungsmotor zu dieser Trendwende beitragen, ebenso der Trend zu Carsharing. Auch wenn die Gesamtnachfrage nach Öl aufgrund der Petrochemie noch darüber hinaus ansteigt: Der EV-Boom dürfte ausschlaggebend für das Ende des Ölzeitalters sein.
«Der EV-Boom dürfte ausschlaggebend sein für das Ende des Ölzeitalters .»
Das heisst allerdings nicht unbedingt, dass die Erdölpreise ins Bodenlose fallen werden. Die Investitionen in neue Erdölquellen ist aufgrund der niedrigen Preise in den vergangenen Jahren ebenfalls stark zurückgegangen. Die erwähnten negativen Nachfrageaussichten dürften dazu führen, dass sich zumindest die Privatindustrie bei der kostenintensiven Suche nach neuen Quellen stark zurückhalten wird. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Erdölpreise aufgrund von Angebotsengpässen vor dem Ende des Ölzeitalters nochmals kräftig in die Höhe schiessen.
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