Die Situation in der Türkei sorgt für Nervosität bei den Anlegern
Der dramatische Kursrückgang der türkischen Lira hat (vielleicht zusammen mit den bizarren Tweets des Tesla-Gründers Elon Musk) die Finanznachrichten dieser Woche beherrscht. Während viele Beobachter die Probleme der Türkei auf die jüngsten US-Sanktionen nach dem Streit um einen US-Pastor zurückführen, ist es wichtig festzustellen, dass die Probleme der Türkei begonnen haben, lange bevor diese Sanktionen überhaupt diskutiert wurden.
Tatsächlich hatte die türkische Lira seit Jahresbeginn schon nahezu 20 Prozent ihres Werts verloren, bevor die Spannungen mit den USA begannen. Dies war auf eine fatale Kombination politischer Fehlentscheide zurückzuführen, die das Vertrauen der internationalen Anleger untergruben. Die Hauptfehler bestanden darin, dass die Zinsen zu lange zu tief gehalten wurden und eine sehr expansive Fiskalpolitik eingeführt wurde, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Dies führte zu einer Überhitzung der türkischen Konjunktur und löste einen starken Anstieg der Inflation aus – derzeit über 15 Prozent, was wiederum die Anleger abschreckte. Traditionelle Massnahmen zur Bekämpfung solcher Krisen, wie die Erhöhung der Zinssätze und die Senkung der Steuerausgaben, wurden praktisch ignoriert. Die Ernennung des Schwiegersohns des türkischen Präsidenten zum neuen Finanzminister hat das Vertrauen der Anleger weiter geschwächt.
Die Schlüsselfrage, die sich viele Anleger stellen, lautet nun, ob die Probleme der Türkei eine ansteckende Wirkung auf andere Finanzmärkte haben werden. Dies ist sehr unwahrscheinlich, und zwar aus folgenden Gründen:
- Obwohl die Türkei mit 80 Millionen Einwohnern eine ähnliche Bevölkerungszahl hat wie Deutschland, ist ihr Gewicht in wirtschaftlicher Hinsicht relativ gering. Tatsächlich ist die türkische Volkswirtschaft kleiner als die Indonesiens und mit der der Niederlande vergleichbar. Die Probleme der Türkei stellen daher kein systemisches Risiko für die Weltwirtschaft dar.
- Hinsichtlich der Finanzmärkte ist das Gewicht der Türkei relativ gering. Dies gilt insbesondere für die Aktienmärkte, wo nur 1 Prozent des MSCI Emerging Market Index auf die Türkei entfällt. In Bezug auf den Bankensektor ist die spanische Bank BBVA, die Eigentümerin der türkischen Bank Garanti ist, dem grössten Risiko ausgesetzt. Aber auch hier ist das gesamte Exposure in der Türkei überschaubar, da nicht mehr als 10 Prozent des Vermögens der BBVA auf Garanti entfallen.
- Bei den Handelsbeziehungen sind Deutschland und China die grössten Handelspartner der Türkei. Doch auch hier dürften sich die Probleme der Türkei nicht wesentlich auf beide Länder auswirken, da die deutschen Exporte in die Türkei weniger als 2 Prozent der deutschen Exporte ausmachen – und im Falle Chinas noch niedriger liegen.
Abschliessend sei gesagt, dass die Situation in der Türkei vor allem im Sommer für Nervosität bei den Anlegern sorgt, wenn die Liquidität an den Märkten begrenzt ist, das Risiko einer Ansteckung auf grössere Märkte jedoch gering ist. Andere Faktoren wie das Risiko eines globalen Handelskriegs und der Anstieg der US-Zinsen sind für die Finanzmärkte viel relevanter als die Türkei. Dies sind die Schlüsselfaktoren, um die sich Anleger sorgen sollten.
Die CIO Weekly Thoughts fokussieren und reflektieren Themen, die Lars Kalbreier während der Woche beschäftigt haben. Es ist vielmehr eine freie Meinungsäusserung, um gesunde Debatten unter den Lesern auszulösen, und keinesfalls eine Strategieempfehlung.