Erbrechtsrevision 2023: Fit für neue Quoten und Pflicht­teile im Erbrecht

Vermögen & Vorsorge Aktualisiert am 24.08.2022
Ursprünglich veröffentlicht am 17.05.2022 Lesezeit: 3 Minute(n)
Erbrechtsrevision 2023: Das Erbrecht 2023 reduziert die Pflichtteile und erhöht die freien Quoten in der Schweiz

Mehr Flexibilität und Gestaltungsraum für Erblasser

Die Schweiz hat mit der Erbrechts­revision ein neues und modernes Erbrecht erhalten, das den Gestaltungs­spielraum für den Erblasser erheblich erhöht. Bei der Planung Ihres Nachlasses können Sie somit flexibler entscheiden, was und wie viel Sie Ihren Liebsten hinterlassen möchten. Das neue Erb­recht tritt per 1. Januar 2023 in Kraft. Die wichtigsten Neuerungen haben wir hier für Sie zusammengefasst.

Reduktion der Pflichtteile der Nachkommen

Bis anhin schrieb das Erbrecht vor, dass die Nach­kommen zwingend einen Pflicht­teil von drei Vierteln des gesetzlichen Erb­anspruches erhalten. Das neue Erbrecht reduziert den Pflicht­teil der Nachkommen auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

Wegfall der Pflichtteile der Eltern

Zurzeit gelten Eltern als pflicht­teils­geschützte Erben, sofern der Erblasser kinderlos ist. Mit dem neuen Erbrecht entfällt dieser Pflicht­teil vollständig.

Erhöhung der freien Quote bei Nutzniessung

Nach geltendem Recht können sich die Ehegatten, die gemeinsame Kinder haben, mit der sogenannten Nutz­niessungs­lösung begünstigen. Dem überlebenden Ehe­gatten kann anstelle eines Viertels des Nachlasses neu die Hälfte zu Eigentum übertragen werden. Am Rest (bisher drei Viertel, neu die Hälfte) kann ihm zusätzlich die Nutzniessung eingeräumt werden. Mit dieser höheren Quote zu Eigentum wird die Ehe­gatten­begünstigung weiter ausgebaut.

Was ist ein Pflichtteil?

Das Erbrecht bestimmt, wer Erbin oder Erbe ist und wie hoch deren Anteile sind, die sogenannten Erbteile. Der Kreis der Erben und die Erbteile variieren je nach Konstellation. Haben Sie keine Nach­lass­regelung getroffen, kommen die gesetzlichen Bestimmungen zum Zug.

In einem Testament können Sie bestimmen, wer wie viel erhalten soll und so von den gesetzlich vor­gesehenen Erb­teilen abweichen. Das Gesetz schränkt aber Ihren Gestaltungs­spiel­raum durch sogenannte Pflicht­teile ein. So wird gesetzlich fest­gelegt, dass gewisse Erben zwingend einen Anspruch auf einen bestimmten Teil des gesetzlichen Erb­teils haben. Diese Pflicht­teile sind grund­sätzlich bei der Nachlass­regelung zu berück­sichtigen; über den Rest Ihres Nach­lasses können Sie frei ver­fügen. Dies ist die so­genannten freie Quote.

  

Kein Ehegattenpflichtteil bei Scheidungsverfahren

Befinden sich die Ehegatten in Scheidung und stirbt einer der Ehegatten während des Scheidungsverfahrens, so hat aktuell der überlebende Ehegatte noch Anspruch auf seinen Pflichtteil. Dieser Anspruch erlischt nach heutigem Recht erst, wenn die Scheidung rechtskräftig ist.

Neu entfällt unter bestimmten Voraus­setzungen auch der Pflicht­teils­anspruch für Ehe­gatten bereits mit Einleitung des Scheidungs­verfahrens. Der «Noch-Ehe­gatte» muss jedoch mittels Testaments oder Erbvertrag von der Erbfolge ausge­schlossen werden.

Schenkungsverbot nach Abschluss eines Erbvertrages

Das geltende Recht sieht vor, dass nach Abschluss eines Erbvertrages die Parteien zu Lebzeiten grundsätzlich frei über ihr Vermögen verfügen können. Heute gilt somit der Grundsatz der Schenkungsfreiheit. Das heisst Schenkungen, die nach Abschluss eines Erbvertrages an Dritte ausgerichtet werden, sind grund­sätzlich zulässig. Nicht zulässig und somit anfecht­bar sind diese nur, wenn ihnen eine offensichtliche Schädigungs­absicht zugrunde liegt.

Neu findet ein Paradigmenwechsel vom Grundsatz der Schenkungs­freiheit zum Grundsatz des Schenkungsverbots statt. Das heisst, dass sämtliche Schenkungen (mit Ausnahme von Gelegenheits­geschenken) nach Abschluss eines Erbvertrages grundsätzlich anfechtbar sind, ausser der Erbvertrag erlaubt solche Schenkungen explizit.

  

Übergangsbestimmungen

Entscheidend für die Anwendbarkeit des neuen Erbrechts ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Stirbt der Erblasser vor dem 1. Januar 2023, so gilt das bestehende Erbrecht; stirbt der Erblasser am oder nach dem 1. Januar 2023, gilt das neue Erbrecht; dies unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Nachlassregelung (Testament oder Erbvertrag) errichtet worden ist.

 

Weiterführende Links zur aktuellen Erbrechtsrevision

— Die Botschaft des Schweizerischen Bundesrates zur Erbrechtsrevision (BBl 208 5813)

— Gesetzesbestimmungen des Erbrechts

 

  

Häufig gestellte Fragen zur Erbrechtsrevision (FAQ)

  • Betrifft mich die Erbrechtsrevision?
    1. Ich habe noch keine Nachlassregelung (Testament und/oder Erbvertrag) erstellt:

    Die Erbrechtsrevision ist ein guter Anlass, um Ihre Situation zu überdenken und eine Nachlassregelung zu treffen, die Ihren Wünschen entspricht.

    1. Ich habe bereits eine Nachlassregelung (Testament und/oder Erbvertrag) erstellt

    Prüfen Sie, ob Ihre getroffene Nachlassregelung mit den Änderungen der Erbrechtsrevision kompatibel ist: Geht aus Ihrem Testament klar hervor, ob die altrechtlichen oder die neurechtlichen Pflichtteile gelten? Regelt Ihr Erbvertrag die Schenkungsfreiheit Ihres Vermögens oder gilt nun das Schenkungsverbot?

    Mit der neuen Erbrechtsrevision haben Sie unter Umständen mehr Flexibilität. Nehmen Sie dies zum Anlass zu prüfen, ob Ihre bestehende Nachlassregelung Ihre Wünsche nach wie vor abbildet.

  • Wie ändert sich der Pflichtteil für ein Kind? (Rechenbeispiel)

    Die Ehegatten Martina und Serge haben zwei gemeinsame Kinder. Mit einem Testament hat Serge seine Kinder auf den Pflichtteil gesetzt und seiner Ehefrau im Sinne der Meistbegünstigung die frei verfügbare Quote zugewiesen. Serge verunfallt und stirbt. Sein Nachlass beläuft sich auf CHF 1 000 000.

    Nach aktuellem Erbrecht erben:

    die Kinder CHF 375 000 (Pflichtteil von drei Achteln)
    die Ehefrau CHF 625 000

    Nach neuem Erbrecht erben:

    die Kinder CHF 250 000 (Pflichtteil von einem Viertel)
    die Ehefrau CHF 750 000

    Übersicht: Reduzierte Pflichtteile an die Kinder

    Für verheiratete Paare

      neu  ¼
    Ehe­gatte
    ¼
    Kinder
    ½
    freie Quote
       
      aktuell 
    ¼
    Ehe­gatte

    Kinder

    freie Quote

     

    Für nicht verheiratete Paare

      neu  ½
    Kinder
    ½
    freie Quote
       
      aktuell  ¾
    Kinder
    ¼
    freie Quote


    © Vontobel 2022


  • Wie ändert sich der Pflichtteil an die Eltern? (Rechenbeispiel)

    Frida lebt mit ihrem Partner Alain zusammen. Sie haben keine Nachkommen. Die Eltern von Frida leben beide noch. Sie will ihren Partner Alain so umfassend wie möglich begünstigen. Im Testament verfügt sie, dass ihre Eltern auf den Pflichtteil gesetzt werden und Alain den Rest erhält. Plötzlich stirbt Frida an einem Herzinfarkt. Ihr Nachlass beläuft sich auf CHF 1 000 000.

    Nach aktuellem Erbrecht erben:

    die Eltern CHF 500 000 (Pflichtteil von der Hälfte)
    Partner Alain CHF 500 000

    Nach neuem Erbrecht erhalten:

    die Eltern CHF 0 (Pflichtteil fällt weg)
    Partner Alain CHF 1 000 000

    Übersicht: Wegfall der Pflichtteile an die Eltern

    Für nicht verheiratete Paare (Beispiel oben)

      neu  1/1
    freie Quote
       
      aktuell  ½
    Eltern
    ½
    freie Quote

     

    Für verheiratete Paare

      neu 
    Ehe­gatte

    freie Quote
       
      aktuell 
    Ehe­gatte

    Eltern
    ½
    freie Quote


    © Vontobel 2022


  • Was bedeutet das neue Schenkungsverbot? (Beispiel)

    Die Familie Musterberg vereinbart mit Erbvertrag, dass der überlebende Ehegatte Alleinerbe sein wird und nach dessen Versterben das restliche Vermögen an die drei Kinder geht. Doch nachdem Vater Peter verstorben ist, verschenkt Mutter Elsa CHF 300 000 an die Stiftung «Pfoten für alle».

    Nach aktuellem Erbrecht gilt Schenkungsfreiheit

    Die Schenkung ist zulässig (vorbehalten Schädigungsabsicht der Mutter) und die Kinder können die Schenkung nicht erfolgreich anfechten.

    Nach neuem Erbrecht gilt Schenkungsverbot

    Die Schenkung ist nicht zulässig und die Kinder können die Schenkung gegenüber «Pfoten für alle» anfechten, ausser der Erbvertrag erlaubt solche Schenkungen explizit.

 

  

  

Nach neuem Erbrecht liegt die freie Quote bei mindestens 50 Prozent. © Vontobel


Unser Fazit

Die Erbrechtsrevision eröffnet die Möglichkeiten, den eigenen Nachlass flexibler und noch besser den eigenen Wünschen und Vor­stellungen entsprechend zu gestalten. Insbesondere können Ehe­gatten, Konkubinats­partner, Stiefkinder in Patch­work­familien oder andere Nahe­stehende neu mit einem grösseren Anteil am Nachlass begünstigt werden.

Gerne hilft Ihnen unser erfahrenes Team von Nachlass­spezialistinnen und -spezialisten bei Ihrer individuellen Nachlass­regelung oder prüft Ihre bestehende Lösung.

  

Erbstreitigkeiten vorbeugen

Vorlage googeln – Testament schreiben – fertig: Der Weg zum selbst verfassten Testament war noch nie so einfach.

Unsere Erfahrung zeigt leider, dass bereits ein vermeintlich gut­gemeintes Wort unlieb­same Folgen haben kann. Unsere erfahrenen Nachlass­spezialisten kennen diese heiklen Punkte und helfen Ihnen, das Streitpotenzial unter Ihren Erben zu minimieren: mit einer klar definierten und juristisch korrekten Nachlass­regelung, bei der wir auf Wunsch auch als Willens­voll­strecker amtieren können.

Kontaktieren Sie uns unverbindlich, um die Situation rund um Ihren Nachlass mit unseren Experten zu analysieren.

 

  

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