Erbrechtsrevision 2023: Fit für neue Quoten und Pflichtteile im Erbrecht
Ursprünglich veröffentlicht am 17.05.2022 Lesezeit: 3 Minute(n)
Mehr Flexibilität und Gestaltungsraum für Erblasser
Die Schweiz hat mit der Erbrechtsrevision ein neues und modernes Erbrecht erhalten, das den Gestaltungsspielraum für den Erblasser erheblich erhöht. Bei der Planung Ihres Nachlasses können Sie somit flexibler entscheiden, was und wie viel Sie Ihren Liebsten hinterlassen möchten. Das neue Erbrecht tritt per 1. Januar 2023 in Kraft. Die wichtigsten Neuerungen haben wir hier für Sie zusammengefasst.
Reduktion der Pflichtteile der Nachkommen
Bis anhin schrieb das Erbrecht vor, dass die Nachkommen zwingend einen Pflichtteil von drei Vierteln des gesetzlichen Erbanspruches erhalten. Das neue Erbrecht reduziert den Pflichtteil der Nachkommen auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Wegfall der Pflichtteile der Eltern
Zurzeit gelten Eltern als pflichtteilsgeschützte Erben, sofern der Erblasser kinderlos ist. Mit dem neuen Erbrecht entfällt dieser Pflichtteil vollständig.
Erhöhung der freien Quote bei Nutzniessung
Nach geltendem Recht können sich die Ehegatten, die gemeinsame Kinder haben, mit der sogenannten Nutzniessungslösung begünstigen. Dem überlebenden Ehegatten kann anstelle eines Viertels des Nachlasses neu die Hälfte zu Eigentum übertragen werden. Am Rest (bisher drei Viertel, neu die Hälfte) kann ihm zusätzlich die Nutzniessung eingeräumt werden. Mit dieser höheren Quote zu Eigentum wird die Ehegattenbegünstigung weiter ausgebaut.
Was ist ein Pflichtteil?
Das Erbrecht bestimmt, wer Erbin oder Erbe ist und wie hoch deren Anteile sind, die sogenannten Erbteile. Der Kreis der Erben und die Erbteile variieren je nach Konstellation. Haben Sie keine Nachlassregelung getroffen, kommen die gesetzlichen Bestimmungen zum Zug.
In einem Testament können Sie bestimmen, wer wie viel erhalten soll und so von den gesetzlich vorgesehenen Erbteilen abweichen. Das Gesetz schränkt aber Ihren Gestaltungsspielraum durch sogenannte Pflichtteile ein. So wird gesetzlich festgelegt, dass gewisse Erben zwingend einen Anspruch auf einen bestimmten Teil des gesetzlichen Erbteils haben. Diese Pflichtteile sind grundsätzlich bei der Nachlassregelung zu berücksichtigen; über den Rest Ihres Nachlasses können Sie frei verfügen. Dies ist die sogenannten freie Quote.
Kein Ehegattenpflichtteil bei Scheidungsverfahren
Befinden sich die Ehegatten in Scheidung und stirbt einer der Ehegatten während des Scheidungsverfahrens, so hat aktuell der überlebende Ehegatte noch Anspruch auf seinen Pflichtteil. Dieser Anspruch erlischt nach heutigem Recht erst, wenn die Scheidung rechtskräftig ist.
Neu entfällt unter bestimmten Voraussetzungen auch der Pflichtteilsanspruch für Ehegatten bereits mit Einleitung des Scheidungsverfahrens. Der «Noch-Ehegatte» muss jedoch mittels Testaments oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen werden.
Schenkungsverbot nach Abschluss eines Erbvertrages
Das geltende Recht sieht vor, dass nach Abschluss eines Erbvertrages die Parteien zu Lebzeiten grundsätzlich frei über ihr Vermögen verfügen können. Heute gilt somit der Grundsatz der Schenkungsfreiheit. Das heisst Schenkungen, die nach Abschluss eines Erbvertrages an Dritte ausgerichtet werden, sind grundsätzlich zulässig. Nicht zulässig und somit anfechtbar sind diese nur, wenn ihnen eine offensichtliche Schädigungsabsicht zugrunde liegt.
Neu findet ein Paradigmenwechsel vom Grundsatz der Schenkungsfreiheit zum Grundsatz des Schenkungsverbots statt. Das heisst, dass sämtliche Schenkungen (mit Ausnahme von Gelegenheitsgeschenken) nach Abschluss eines Erbvertrages grundsätzlich anfechtbar sind, ausser der Erbvertrag erlaubt solche Schenkungen explizit.
Übergangsbestimmungen
Entscheidend für die Anwendbarkeit des neuen Erbrechts ist der Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Stirbt der Erblasser vor dem 1. Januar 2023, so gilt das bestehende Erbrecht; stirbt der Erblasser am oder nach dem 1. Januar 2023, gilt das neue Erbrecht; dies unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Nachlassregelung (Testament oder Erbvertrag) errichtet worden ist.
Weiterführende Links zur aktuellen Erbrechtsrevision
— Die Botschaft des Schweizerischen Bundesrates zur Erbrechtsrevision (BBl 208 5813)
— Gesetzesbestimmungen des Erbrechts
Häufig gestellte Fragen zur Erbrechtsrevision (FAQ)
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