Erkenntnisse aus dem Trump-Kim-Gipfel in Singapur
Der Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un wurde von beiden Seiten als Erfolg gefeiert. Es war das erste Treffen zwischen einem US-amerikanischen und nordkoreanischen Regierungschef überhaupt. Nach Aussage von Trump lief das Treffen «besser als sich irgendjemand vorstellen kann». Kim veröffentlichte dagegen ein 30-minütiges Propaganda-Video, um die neu entdeckte gegenseitige Zuneigung der beiden Regierungschefs zur Schau zu stellen.
Obwohl diese Prahlereien zweifellos übertrieben sind, ist allein die Tatsache, dass Trump und Kim sich persönlich getroffen haben und beide Länder nun offen miteinander kommunizieren, bereits ein Erfolg. Dies ist beiden Staatschefs zumindest in gewissem Masse als Verdienst anzurechnen.
Trump brachte Kim zum Reden
Auf US-amerikanischer Seite besteht der grösste Verdienst von Donald Trump wohl darin, dass er China als wichtigsten Handelspartner Nordkoreas davon überzeugen konnte, den härtesten Wirtschaftssanktionen zuzustimmen, die jemals gegen ein Land verhängt worden sind. Diese beispiellosen Sanktionen haben Kims Wirtschaft gelähmt und sind der wahre Grund für Kims plötzlichen Wunsch, nach Jahren der lautstarken feindlichen Rhetorik einen offenen und freundlichen Dialog mit den USA und Südkorea zu suchen.
Gestärkte Verhandlungsposition dank Atomkraft
Auf nordkoreanischer Seite machte Kims eiserne Entschlossenheit zur Weiterentwicklung seines Atomprogramms seit 2011 – d.h. dem Jahr, in dem westliche Mächte unter Führung der USA den libyschen Diktator Muhammar Gaddafi stürzten – das Land im vergangenen Jahr zur Atommacht.
Dies kam für die meisten Beobachter überraschend. Die CIA und andere westliche Nachrichtendienste waren davon ausgegangen, dass Kim noch Jahre von der Atombombe entfernt war. Durch den Besitz dieser Technologie schaffte er einen starken Anreiz für die USA und Südkorea, das Gespräch mit ihm zu suchen. Als Atommacht befindet sich das Land zudem in einer viel stärken Verhandlungsposition. Es ist in der Tat äusserst fraglich, ob Kim ohne Atomwaffenarsenal ein persönliches Treffen mit Donald Trump erreicht hätte.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Rückblickend könnte der Singapur-Gipfel als Enttäuschung oder gar als Sieg für Kim gewertet werden. Während Trump ankündigte, dass die USA und Südkorea ihre gemeinsamen jährlichen Militärübungen beenden würden, machte Kim nur vage Zugeständnisse in Sachen Denuklearisierung. Zwar ist es wahrscheinlich, dass Kim sein Atomprogramm aufgeben wird, doch ist es äusserst unwahrscheinlich, dass er sein bestehendes Atomwaffenarsenal vernichtet.
Es sollte jedoch stets bedacht werden, dass eine von der internationalen Gemeinschaft isolierte Atommacht weitaus gefährlicher ist als eine Atommacht, die im Dialog mit ihren Partnern steht.
Die Verbreitung der nuklearen Technologie ist im Laufe der Zeit praktisch unvermeidbar. Daher ist eine offene Kommunikation zwischen den Atommächten entscheidend.
Sollte der Singapur-Gipfel dazu beigetragen haben, dass Nordkorea nicht länger als internationaler Aussenseiter gilt und das Land sich politisch sowie ökonomisch gegenüber der Weltgemeinschaft öffnet, kann er tatsächlich als Erfolg gefeiert werden.
Die CIO Weekly Thoughts fokussieren und reflektieren Themen, die Lars Kalbreier während der Woche beschäftigt haben. Es ist vielmehr eine freie Meinungsäusserung, um gesunde Debatten unter den Lesern auszulösen, und keinesfalls eine Strategieempfehlung.