Wenn eine Kunstsammlung neue Wege geht

Insights, Kunst
08.09.2020 Lesezeit: 4 Minute(n)

Ein Gespräch über zeitgenössische Fotografie, die aufweckt, inspiriert und auch mal für rote Köpfe sorgt.

Seit den 1970er Jahren sammelt Vontobel Kunst, seit 2014 professionell mit dem Fokus auf zeitgenössische Fotografie. Die Zeitschrift Kunst+Architektur in der Schweiz (k+a) hat der Sammlungskuratorin einen Besuch in Zürich abgestattet. Ein Interview über Herausforderungen, Nutzen und Entwicklung einer Firmensammlung.

View into the lobby of a Vontobel building in Zurich. In the background one can see the art work «X», 2017 by Viviane Sassen. / © Viviane Sassen / Photo: Dirk Weiss

Blick in die Lobby mit dem Werk «X», 2017 von Viviane Sassen. / © the artist / Foto: Dirk Weiss

Das Interview führte k+a Redaktorin Stephanie Ehrsam. Es erschien in der Ausgabe 2020.1: Sammlungen und Sammler.

Wir publizieren es hier mit freundlicher Genehmigung des Verlags.

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Frau Baselgia, der Grundstein für die Vontobel-Kunstsammlung wurde in den 1970er Jahren von dem 2016 verstorbenen Ehrenpräsidenten Dr. Hans Vontobel gelegt. Was können Sie uns über die Geschichte der Sammlung, ihre Entstehung und die Werke, die sie umfasst, erzählen?

Dr. Hans Vontobel (1916–2016) war in der Tat nicht nur Bankier, sondern auch Mäzen. Es war seine persönliche Überzeugung, dass ein Unternehmen wie Vontobel eine gesellschaftliche Verantwortung trägt. Diese wollte er unter anderem auch über die Förderung von Kunst und Kultur wahrnehmen. So wurde in den siebziger Jahren eine Kunstkommission gegründet, die mehr oder weniger nach persönlichen Vorlieben in Galerien oder direkt bei Kunst­schaffenden Werke ankaufte. Die Mitglieder der Kunstkommission waren alles Laien, und in der Retrospektive wird klar, dass eine fachliche Beratung gefehlt hat. Die Sammlung umfasste mehrheitlich Gemälde und Skulpturen von Schweizer Künstlern. Bis auf einige wenige, wie z.B. Not Vital oder Wilfrid Moser, sind viele von ihnen heute nicht mehr bekannt.

Die Werke waren von Anfang an für die Vontobel-Räumlichkeiten bestimmt – Hans Vontobel wollte auf diese Weise für Mitarbeiter und Kunden ein spannendes Umfeld kreieren. In den letzten Jahren wurde die Sammlung professionalisiert und im Zuge dessen konsolidiert. Etliche Werke wurden verkauft. Heute umfasst die ursprüngliche Sammlung noch um die 200 Werke.

 

Mit der Professionalisierung 2014 kam es auch zu einer Neuausrichtung der Sammlung mit einem Schwerpunkt auf zeitgenössischer Fotografie. Wie kam es dazu?

Die Neuausrichtung der Kunstsammlung geschah im Auftrag der Geschäftsleitung. Christian Schilz, Leiter Corporate Responsibility bei Vontobel, wurde beauftragt, den Prozess zu initiieren und die Kunstkommission zu reaktivieren. Klar war, dass eine Neuausrichtung inhaltliche Fokussierung und Professionalisierung bedeuten würde. So wurde entschieden, sich zukünftig auf das Medium Fotografie zu konzentrieren. In diesem Zusammenhang konnte Urs Stahel, Mitbegründer und langjähriger Direktor und Kurator des Fotomuseums Winterthur, als externer Berater gewonnen werden. Axel Schwarzer, Mitglied der Geschäftsleitung von Vontobel, hat sich bereit erklärt, die Kommission zu präsidieren. Kurz darauf wurde ich angefragt, als Kuratorin der Sammlung zu wirken. Am Anfang mussten wir uns alle erst kennenlernen. Wir haben viel darüber diskutiert, welche Erwartungen die Sammlung erfüllen soll, oder auch darüber, was Fotografie überhaupt alles beinhaltet.

 

Wo steht man heute? Welche Strategie hat sich über die Zeit entwickelt?

Die neue Sammlung für zeitgenössische Fotografie umfasst bereits ca. 170 Werke. Als Thema der Sammlung gilt «Der Mensch und sein Tun». Wir suchen nationale und internationale Fotografinnen und Fotografen, die den Menschen und seinen Einfluss auf unsere Lebenswelt reflektieren. Auch eine gute Durchmischung der repräsentierten Künstlerinnen und Künstler ist uns wichtig. Unsere Sammlung beinhaltet sowohl Werke weniger bekannter wie auch international bekannter Namen. Wir spielen aber nicht in der Liga Gursky mit.

 

In welcher Liga spielen Sie denn mit?

Paul Graham, Viviane Sassen, Zanele Muholi oder Richard Mosse sind bekannte Namen, die in unserer Sammlung vertreten sind, oder um Schweizer Namen zu nennen: Shirana Shahbazi, Daniele Buetti, Thomas Flechtner. Über das konkrete Budget kann ich natürlich nicht reden. Die Kunstsammlung ist innerhalb von Vontobel ein eigener Bereich, entsprechend gibt es von der Geschäftsleitung für die Kunst ein Sonderbudget. Dieses ist flexibel – mit der Professionalisierung der Sammlung ist auch das Budget gewachsen, so dass wir heute jährlich ca. 30 Werke ankaufen können. Darunter befinden sich etwa zur Hälfte Werke junger Fotografinnen und Fotografen. Urs Stahel und ich machen der Kunstkommission Vorschläge, und nach intensiven Diskussionen wird dann gemeinsam entschieden.

 

Lesen Sie hier den ganzen Artikel im Original:

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Kunst+Architektur in der Schweiz (k+a), der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte

Die 1880 gegründete Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK ist eine Non-Profit-Organisation mit über 3000 Mitgliedern. Ihre wichtigsten Ziele bestehen in der Dokumentation, Erforschung und Vermittlung des baugeschichtlichen Kulturerbes der Schweiz. Aufgrund ihrer Geschichte und ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit hat sich die GSK zu einer bedeutenden Antriebskraft der kulturellen Integration in unserem Land entwickelt. Die GSK verbindet mit ihren Produkten (Bücher, Kunstführer, Zeitschrift k+a, digitale Angebote) Tradition und Innovation.

Das Ziel der GSK besteht heute mehr denn je darin, mittels Sensibilisierung und Information aller Generationen und aller Bevölkerungsschichten den Fortbestand des kulturellen Erbes der Schweiz verlässlich, innovativ und bedürfnisorientiert zu gewährleisten.

www.gsk.ch

  

Kunst bei Vontobel

Kunstsammlung und Förderpreis bilden seit 2015 die Abteilung «Kunst bei Vontobel», die als Kulturengagement Teil des Corporate Responsibility ist. Neben Aufbau, Betreuung und Vermittlung der Sammlung führen wir seit 2017 im Zweijahresrhythmus «A New Gaze», den Förderpreis für junge zeitgenössische Fotografie, durch.

Die Vontobel-Kunstkommission bestimmt als Gremium aus Mitarbeitenden aus allen Geschäftsfeldern bei Strategie und Ankäufen mit. Präsident ist Axel Schwarzer (Head Asset Management), Leiter Christian Schilz (Head Corporate Responsibility). Die fachliche Leitung der Abteilung hat die Kunsthistorikerin Luisa Baselgia. Der renommierte Zürcher Fotografieexperte und Ausstellungsmacher Urs Stahel (Mitbegründer und ehem. Direktor des Fotomuseum Winterthur, 1993-2013) prägt als Berater Sammlung und Projekte.

 

Erfahren Sie mehr über Kunst bei Vontobel

 

  

 

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