Wahldrama in Italien

Insights, Insights, Geopolitik
06.06.2018 von Lars Kalbreier Lesezeit: 2 Minute(n)

Italiens Politik hat in der vergangenen Woche wieder einmal für Aufruhr gesorgt. Nachdem sie das Euro-Thema aus ihrer Kampagne ausgeklammert hatten, beschlossen die beiden führenden populistischen Parteien Cinque Stelle und Lega Nord, den scharfen Euro-Kritiker Paolo Savona als Finanzminister zu nominieren. Italiens Präsident Matarella, der um die Zukunft seines Landes fürchtete, legte jedoch sein Veto gegen diese Personalie ein. Es gab ein kurzes Gerangel, bei dem die Populistenführer davon sprachen, den Präsidenten des Amtes entheben zu lassen und einen «Marsch auf Rom» (in Anspielung auf Mussolinis Machtergreifung 1922) zu organisieren, doch dann einigte man sich schnell auf den nicht ganz so umstrittenen Giovanni Tria, einen Volkswirtschaftsprofessor aus Rom, als Finanzminister.

Die Krise ist zwar vorerst abgewendet, aber allen Marktteilnehmern wurde erneut vor Augen geführt, wie wichtig Italien für die Gemeinschaftswährung und die Eurozone ist. Im Gegensatz zu Griechenland, auf das gerade einmal 2 Prozent des BIP der Eurozone entfallen, spielt Italien als drittgrösste Volkswirtschaft der EU eine wichtige Rolle. Ein Austritt Italiens aus dem Euro könnte daher das Ende für die Eurozone bedeuten.

Etliche Beobachter zeigen sich ausserdem äusserst besorgt über die Ausgabenvorschläge der neuen Regierung, vor allem in Bezug auf das allgemeine Grundeinkommen und die Einheitssteuer von 15 Prozent, die Italiens Verschuldung um weitere 6 Prozent ansteigen lassen würden. Der Grund hierfür ist, dass Italiens Schuldenstand bereits 132 Prozent des BIP beträgt. Italien ist damit gleich hinter Griechenland das Land mit der zweithöchsten Verschuldung in der Eurozone im Verhältnis zum BIP.

Wird sich somit die Währungsunion in Folge der Wahlen in Italien auflösen? Man sollte zwar niemals nie sagen, aber dieses Szenario ist äusserst unwahrscheinlich. Dafür gibt es vier Gründe:

  1. Italiens Regierung ist alles andere als stabil. Seit ihrer Gründung im Jahr 1946 hat die Republik Italien ganze 65 Regierungen kommen und gehen sehen. Die durchschnittliche Lebensdauer einer Regierung beträgt also nur etwas mehr als ein Jahr. Um ihr ehrgeiziges Programm umzusetzen, müssen die Cinque-Stelle-Bewegung und die Lega Nord eine stabile Regierung bilden. Da jedoch die beiden Parteien am jeweiligen Ende des politischen Spektrums stehen und ihre Wählerschaften kaum unterschiedlicher sein könnten – in erster Linie der Süden Italiens für Cinque Stelle und der wohlhabende Norden für die Lega Nord – ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Bündnis über einen längeren Zeitraum Bestand hat.
  2. Selbst mit 132 Prozent des BIP ist der Verschuldungsgrad noch zu bewältigen. Dies ist den anhaltend tiefen Zinsen zu verdanken. Die Europäische Zentralbank bürgt für italienische Staatsanleihen und einen Primärüberschuss, weshalb die Steuereinnahmen die Finanzierungskosten vor Zinszahlungen übersteigen.
  3. Die Mehrheit der italienischen Bevölkerung ist für den Euro. Aus diesem Grund stand der Ausstieg aus dem Euro nicht im Mittelpunkt der Wahlkampagne. Die Wähler könnten es als Verrat empfinden, wenn die Parteien bei diesem Standpunkt ihre Meinung ändern. Darüber hinaus würde ein Ausstieg aus dem Euro dazu führen, dass die vorhandenen staatlichen Schuldverschreibungen, die sich vor allem im Besitz von italienischen Banken und Sparern befinden, stark an Wert verlieren. Dies würde wiederum erhebliche Verluste für italienische Banken, Versicherungsunternehmen und Rentenempfänger zur Folge haben. Die Regierung würde an Zuspruch verlieren und wahrscheinlich abgewählt werden.
  4. Man sollte nicht vergessen, dass der italienische Präsident eine gewisse Macht hat, wie es gerade erst bei seiner Weigerung zu sehen war, den vorgeschlagenen Finanzminister zu bestätigen.  Der Präsident kann das Parlament auflösen und den Premierminister entmachten, wenn er glaubt, dass das Land in Gefahr ist. Das war zuletzt 2011 der Fall, als der damalige Präsident Giorgio Napolitano den Premierminister Silvio Berlusconi seines Amtes enthob und ihn durch EU-Kommissar Mario Monti ersetzte.

Italien hat mit verschiedenen strukturellen Problemen zu kämpfen (Verschlechterung der demografischen Entwicklung, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, hohe Jugendarbeitslosigkeit, ausgeprägte Bürokratie usw.), die es zu bewältigen gilt. Bislang ist ein Ausstieg aus dem Euro aber sehr unwahrscheinlich.

 

  

 

Abonnieren Sie unseren Newsletter «Insights»

Nach dem Absenden erhalten Sie eine E-Mail mit Bestätigungslink.

 

*

Pflichtangaben