ESG: Das grosse Ganze im Detail verstehen
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1516 veröffentlichte der englische Philosoph und Staatsmann Thomas More «Utopia», eine politische Satire über eine fiktive Insel mit «idealen Bedingungen». Er postulierte damals eine Idee, die heute weltweit diskutiert und erprobt wird: Jeder Bürger auf More’s Insel erhält eine Art «garantierten Lebensunterhalt» ein Universelles Grundeinkommen (UBI).
Verteilung nach dem Giesskannenprinzip oder zielführende Hilfe? Die Meinungen zum Universellen Grundeinkommen (auch «UBI» oder «Universal Basic Income») gehen auseinander. © depositphotos
Von
Will Bedingfield,
Redakteur beim Magazin WIRED. Seine Recherche veröffentlichen wir hier als Teil unserer Publishing Partnership mit Wired UK.
In seiner grundlegenden Form hat sich beim UBI gegenüber dem ursprünglichen Vorschlag von More nicht viel verändert. Die Idee ist, jedem Bürger, unabhängig von seinem Besitz, eine garantierte Summe Geld auszuhändigen. Regelmässig, lebenslang und in einer Höhe, sodass er nicht arbeiten muss. Luke Martinelli, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bath, erklärt das so: «Das Ziel ist, dass jeder Mensch einheitliche und pauschale Zahlungen erhält und sich von weiteren Leistungen des Staates, etwa Sozialversicherungsleistungen, unabhängig machen kann. Es wird also eine einheitliche Einkommensuntergrenze für jedermann definiert.»
Jamie Cooke, Leiter der RSA Schottland (Royal Society for the encouragement of Arts, Manufactures and Commerce), definiert das UBI noch genauer: «Das Universelle Grundeinkommen muss bestimmten Grundprinzipien folgen: Es ist universell, bedingungslos, sicher und direkt.»
Befürworter des UBI kommen weltweit aus allen politischen Lagern. Sie stammen aus der radikalen Linken des Postkapitalismus wie Paul Mason oder Aaron Bastani, und reichen bis zu den Gurus des Silicon Valley wie Elon Musk und Mark Zuckerberg. «Es ist faszinierend zu sehen, welche breit gefächerte Diskussion hier momentan stattfindet», sagt Cooke.
Die Gründe sind mannigfaltig. Einer davon macht zum Thema, dass man einige «reiche» Volkswirtschaften als «ungerecht» einstuft. Wie der Ökonom Branko Milanovic aufzeigt stagniert das Einkommen der mittleren und unteren Mittelschicht, während die Oberschicht einen stetigen Vermögenszuwachs erfährt. Das heisst: Das reichste 1 Prozent der Bevölkerung verdient doppelt so viel wie die unteren 50 Prozent.
«In Schottland sind wir sehr stark von einer Perspektive auf soziale Gerechtigkeit beseelt», sagt Cooke. Das UBI solle soziale Ungerechtigkeiten ausgleichen bzw. ergänzen: So dürfen ungleich verteilte Zuwendungen nicht dazu führen, dass Menschen entmutigt werden, einer geregelten Arbeit nachzugehen und ihr eigenes Geld zu verdienen. Auch die Anerkennung der unbezahlten Tätigkeit von Frauen in der Altenpflege und Hausarbeit sei ein wichtiger Faktor.
Ein Universelles Grundeinkommen könnte auch dem Gesundheitswesen zu Gute kommen. Martinelli verweist auf eine kanadische Studie, in der Krankenhausaufenthalte und psychische Gesundheitsprobleme durch eine erhöhte Einkommenssicherheit reduziert wurden. Die Menschen könnten so eher zu ihrem Vergnügen arbeiten, als um zu überleben: «Theoretisch würde das den Menschen erlauben, auch gewisse berufliche Risiken einzugehen», meint Martinelli. «Um sich einen neuen Beruf zu suchen, sich umschulen zu lassen oder eine Schaffenspause einzulegen. All das könne sich positiv und produktivitätssteigernd auf eine Volkswirtschaft auswirken», sagt er.
Andere Argumente fallen in die Kategorie «Roboter ersetzen meinen Job». «Viele Menschen in den USA fürchten sich davor, dass ihnen die Künstliche Intelligenz der Maschinen und die Automatisierung in vielen Bereichen die Arbeit wegnehmen könnte», sagt Cooke. «Auch deshalb erhalten wir so viel Unterstützung aus der Industrie. Ein reiner Selbsterhaltungstrieb. Die Unternehmer wollen nicht, dass ihre Mitarbeitenden mit Mistgabeln in der Hand vor der Türe protestieren. «Sogar die Umwelt könnte davon profitieren», sagt Mark Maslin, Professor für Geowissenschaften am University College London. «Wenn wir weniger arbeiten, verbrauchen wir auch weniger. Wir sind davon überzeugt, dass ein UBI unsere Ressourcen und das Klima schonen würde.»
Keineswegs. Eines der Hauptprobleme des Universellen Grundeinkommens ist, wie es definiert wird. «Für jeden bedeutet es etwas anderes», sagt Anna Coote, eine leitende Mitarbeiterin der New Economics Foundation und ausgewiesene Gegnerin des UBI. «Die Vermutung, dass das UBI eine breite Unterstützung erfahre, trügt, wenn man untersucht, welche Ziele die unterschiedlichen Gruppen verfolgen», sagt Martinelli. «Und damit zerplatzt der Traum, alle in ein einheitliches Raster pressen zu können». Die Spaltungen reichen tiefer als die Kluft zwischen den unterschiedlichen politischen Lagern. Dennoch ist es hilfreich, das UBI sowohl aus der «rechten» wie der «linken» Ecke zu beleuchten.
Die konservative Sichtweise auf das UBI ist im Grunde freiheitlich gedacht, wie Sam Bowman vom Adam-Smith-Institut im Jahr 2013 erklärte: «Das ideale Wohlfahrtssystem besteht aus einem Grundeinkommen, das die bestehenden Regierungs-Programme zur Bekämpfung der Armut ersetzt.» In diesem Verständnis stellt der fürsorgliche Staat eine ungerechtfertigte Einschränkung der Freiheit des Bürgers dar. Die illegitimen Wohlfahrtseinrichtungen und öffentlichen Dienstleistungen müssen beseitigt werden. Stattdessen wird der Bürger in die Pflicht genommen, frei nach dem Motto: Hier ist dein Geld, mach´ dich an die Arbeit!
Es versteht sich von selbst, dass diese Ansicht bei den progressiven Kräften auf erbitterten Widerstand trifft. «Es gibt Variationen des Grundeinkommens – selbst bei all der Arbeit, die ich dafür leiste – gegen die ich mich mit Händen und Füssen wehre», sagt Cooke. «Denn mit diesem Motto liebäugeln die Herrscher des Silicon Valley. Sie wollen, dass die Menschen gerade genug Geld besitzen, um einkaufen zu gehen und sich ihre Produkte leisten zu können. Und nicht, dass sie anfangen, auf der Strasse zu randalieren. Sie wollen keinen sozialen Fortschritt. Deshalb ist das UBI ist für sie so attraktiv.»
Die progressive Version des UBI beinhaltet normalerweise, dass es zusätzlich zu den bestehenden Sozialleistungen gezahlt wird. Das meistdiskutierte Experiment fand in Finnland bei der Sozialversicherungsanstalt Kela statt. Von Januar 2017 bis Dezember 2018 erhielten zweitausend arbeitslose, nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Bürger eine monatliche Pauschalzahlung von 560 Euro. «Das war sehr wenig Geld», erklärt Miska Simanainen, eine Forscherin bei Kela. «Es entsprach dem Minimum des finnischen Arbeitslosengeldes. Das Durchschnittsgehalt liegt wesentlich höher.» Die Studie sollte hauptsächlich ermitteln, ob sich das UBI auf die Arbeitsmotivation eines Menschen auswirkt.
Wie ist das Experiment der Finnen ausgegangen? «Das interessanteste Ergebnis in Bezug auf Beschäftigung und Einkommen war, dass im ersten Jahr des Feldversuchs so gut wie nichts geschah», sagt Simanainen. Die Begünstigten suchten sich keine neue Arbeit, waren aber durch die Bank glücklicher und weniger gestresst. Die Forscherin betont aber, dass die genaueren Auswertungen noch andauern.
Es gibt eine ganze Reihe davon – im Moment noch zu viele. «Die Befürchtung, dass die Menschen dann den Arbeitsmarkt verlassen werden, ist die eine; die Hoffnung, dass wir uns dann um so besser um die Armen kümmern können, die andere», sagt Martinelli. «Die Moralisten sagen, es sei nicht fair, die Leute ‹schnorren› zu lassen. Ich denke, die Kehrseite davon ist, dass man den Menschen mit einem bedingungslosen Einkommen nicht hilft, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Man ermutigt sie im Grunde genommen zum Ausstieg.» An dieser Problematik hängt die Frage, wofür die Menschen das Geld tatsächlich ausgeben. Hat der Staat nicht beispielsweise auch die Verantwortung, den Drogenmissbrauch zu unterbinden?
Anna Coote hat ernsthafte Bedenken, ob irgendeine dieser Studien in einem finanziell tragfähigen Sinne funktioniert. «Bitte sagen Sie nicht, dass es Beweise dafür gibt, dass es geht – das tut es nicht», sagt sie. «Dies ist eine der unehrlichsten Behauptungen ihrer Befürworter: Sie sagen, ‹es wurde getestet und es hat sich gezeigt, dass es funktioniert›. Ich habe eine gründliche Überprüfung aller Studien durchgeführt, die dokumentiert sind. Es liegen keine Beweise vor, dass ein UBI momentan realisierbar ist.» (Mehr zum Thema in diesem Video.)
Coote erklärt, dass das Grundproblem in der Finanzierung liegt. Ihrer Ansicht nach gibt es keinen schlüssigen Beweis dafür, dass man neben einem «vollwertigen» Universellen Grundeinkommen gleichzeitig einen umfassenden Sozialstaat aufrechterhalten könne. Summa summarum ist das UBI also nur dann machbar, wenn man gleichzeitig bei den Sozialausgaben drastisch einspart.
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