Wie entsteht eine Inflation?
Ein Begriff zwischen «Staatsfeind Nr. 1» und «Liebling» der Schuldenpolitik
Insights, Perspektiven 2022
Aktualisiert am 13.04.2022
Ursprünglich veröffentlicht am 29.01.2022 von Michaela Huber, Reto Cueni, Stefan Eppenberger Lesezeit: 3 Minute(n)
Ursprünglich veröffentlicht am 29.01.2022 von Michaela Huber, Reto Cueni, Stefan Eppenberger Lesezeit: 3 Minute(n)
Bis vor kurzem war sie ein (fast) vergessenes Gespenst aus der Vergangenheit. Heute jagt eine Inflationsschlagzeile die nächste – nicht nur in Wirtschaftszeitungen. In diesem Grundlagenartikel nehmen drei Ökonomen dem Gespenst seinen Schrecken.
Erfahren Sie, was Inflation überhaupt ist, wie sie entsteht und welches die häufigsten Arten der Inflation sind.
Inflation als Spielball der Politik
Der russische Revolutionär Wladimir Lenin hielt sie für ein gutes Mittel zur «Zerschlagung der Bourgeoisie». Gerald Ford, der 38. Präsident der Vereinigten Staaten, erklärte sie zum «Staatsfeind Nummer eins». Nach ihm beschrieb sie Ronald Reagan als «gewalttätig wie ein Strassenräuber, furchterregend wie ein bewaffneter Räuber und tödlich wie ein Auftragsmörder».
Um die Inflation begreifbar zu machen, behelfen sich sogar gestandene Staatsmänner mit Metaphern, wie sie für bewaffnete Konflikte verwendet werden. Woher kommt diese reflexartige Inflationsangst, die vielen in den Knochen steckt?
Wenn die gute alte Ökonomie die Aufmerksamkeit von Wirtschaft und Politik, von links bis rechts und rund um den Globus auf sich zieht, dann lohnt es sich, das Schreckgespenst mit nüchternen Fakten zu durchleuchten.
KURZ ERKLÄRT
Definition: Was ist Inflation?
Der Begriff «Inflation» beschreibt einen allgemeinen Anstieg der Preise für Waren und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft. Dieser «allgemeine Anstieg» für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen ist wichtig – Inflation entsteht nicht dadurch, dass ein einzelner Gegenstand teurer wird, sondern nur dann, wenn es zu einem Preisanstieg auf breiter Basis kommt. Im Laufe der Zeit schmälert dieser Preisanstieg die Kaufkraft einer bestimmten Währung in einer Volkswirtschaft.
Importierte Inflation
Inflation kann nicht nur Auswirkungen auf die heimische Währung eines Landes haben. Sie beeinflusst unter Umständen auch den Wechselkurs des Landes gegenüber anderen Ländern und hat damit Folgen für den Handel mit Waren und Dienstleistungen. Denn je mehr die Währung eines Landes auf dem Devisenmarkt an Wert verliert, desto höher ist der Preis, den das Land für Importe zahlen muss. Das wirkt sich im Fall von Rohstoffen oder Energie auch auf die inländischen Produktionskosten eines Landes aus.
Wie kommt es zu einer Inflation?
Dass die Preise 2021 anziehen würden, kam für die meisten Analysten wenig überraschend. Aufgrund sogenannter Basiseffekte, Angebots-Nachfrage-Engpässen und des starken wirtschaftlichen Aufschwungs nach den Lockdowns war es nur eine Frage der Zeit, bis sich ein gewisses Mass an Inflation bemerkbar machen würde.
Die Ursachen für eine Inflation führen wir auf den Zeithorizont ihres Einflusses zurück. In unseren Analysen unterscheiden wir daher kurz-, mittel- und langfristige Faktoren.
Drei Faktoren, die Preise in die Höhe treiben können
Aktuell: Inflation Schweiz im Kontext (1870–2022)
Die im April veröffentlichten Inflationszahlen für März 2022 liegen in den USA mit 8.54% deutlich über den für die Schweiz gemeldeten 2.4%. Das war aber nicht immer so, wie ein Blick auf die letzten 150 Jahre zeigt. Als Basis der nachfolgenden Grafik dient der sogenannte Konsumentenpreisindex (Consumer Price Index, CPI). Die Zahlen für die Schweiz vor 1922 beruhen auf Schätzwerten von Forschenden.
Vor dem zweiten Weltkrieg waren die Inflationsschocks höher als in den USA
▬ Inflation in den USA 2022 und zurück bis 1870 (CPI in %)
▬ Inflation in der Schweiz 2022 und zurück bis 1870 (CPI in %)
© Vontobel 2022, basierend auf Forschungsergebnissen von Niko Hauzenberger, Daniel Kaufmann, Rebecca Stuart, Cédric Tille: «Interest rates in Switzerland 1852–2020», Fundamentals for Economic Policy No. 24, Staatssekretariat für Wirtschaft SECO, Bern, Switzerland (2021), sowie Daten des Bundesamts für Statistik (BFS), Global Financial Data, Refinitiv Datastream.
Häufigste Inflationsarten
Welche Arten der Inflation unterscheidet die Ökonomie?
- Am häufigsten ist in Lehrbüchern von «Demand-pull»- und «Cost-push»-Inflation zu lesen.
- Daneben existieren auch extremere Formen wie die Stagflation.
Demand-pull-Inflation
Sie tritt auf, wenn in einer Volkswirtschaft die Nachfrage das Angebot übersteigt und dadurch die Preise in die Höhe treibt. Doch wie kann die Nachfrage das Angebot übersteigen?
Cost-push-Inflation
Dieser Typ Inflation entsteht, wenn die Nachfrage gleichbleibt, während das Angebot an Waren oder Dienstleistungen begrenzt ist.
Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein erheblicher Mangel an Rohstoffen oder Arbeitskräften entsteht, der die Preise oder Löhne in die Höhe treibt.
Stagflation
Wenn alles Schlechte zusammenkommt
Bei der Stagflation treffen vier Faktoren aufeinander: steigende Preise, stagnierendes Wirtschaftswachstum, enttäuschende Unternehmensgewinne und hohe Arbeitslosigkeit.
Während sich Ökonomen über die Ursachen der Stagflation uneins sind, werden Argumente wie eine schlechte Wirtschaftspolitik und Angebotsschocks am häufigsten angeführt.
Häufigste Inflationsarten
Welche Arten der Inflation unterscheidet die Ökonomie?
- Am häufigsten ist in Lehrbüchern von «Demand-pull»- und «Cost-push»-Inflation zu lesen.
- Daneben existieren auch extremere Formen wie die Stagflation.
Demand-pull-Inflation
Sie tritt auf, wenn in einer Volkswirtschaft die Nachfrage das Angebot übersteigt und dadurch die Preise in die Höhe treibt. Doch wie kann die Nachfrage das Angebot übersteigen?
Cost-push-Inflation
Dieser Typ Inflation entsteht, wenn die Nachfrage gleichbleibt, während das Angebot an Waren oder Dienstleistungen begrenzt ist.
Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein erheblicher Mangel an Rohstoffen oder Arbeitskräften entsteht, der die Preise oder Löhne in die Höhe treibt.
Stagflation
Wenn alles Schlechte zusammenkommt
Bei der Stagflation treffen vier Faktoren aufeinander: steigende Preise, stagnierendes Wirtschaftswachstum, enttäuschende Unternehmensgewinne und hohe Arbeitslosigkeit.
Während sich Ökonomen über die Ursachen der Stagflation uneins sind, werden Argumente wie eine schlechte Wirtschaftspolitik und Angebotsschocks am häufigsten angeführt.
Gewinner und Verlierer in einem inflationären Umfeld
Wer hat am meisten unter steigenden Preisen zu leiden?
Zuerst einmal Sparer, da höhere Preise den realen Wert ihrer Ersparnisse verringern.
Betroffen sind auch Arbeitnehmende, die an feste Lohnverträge gebunden sind, oder Kreditgeber wie Banken, die feste Zinszahlungen für ihr Geld vereinbart haben. Nicht zu vergessen Importeure, deren gehandelte Waren in der Regel teurer werden, wenn die Landeswährung mit einer höheren (inländischen) Inflationsrate gegenüber Währungen mit geringerer Inflation an Wert verliert.
Andere profitieren von höheren Preisen
In der Regel sin dies alle, die Schulden mit einer nominell festen Zinszahlung haben, wie verschuldete Regierungen, Unternehmen und Haushalte.
Unternehmen mit einer hohen Schuldenlast profitieren in der Regel ebenfalls. Denn ein inflationäres Umfeld ermöglicht es ihnen oft, die höheren Preise an die Verbraucher weiterzugeben. Das «zusätzliche Geld», das dabei entsteht, kann dann zur Tilgung ausstehender Schulden verwendet werden.
Zudem können auch Privatpersonen, die in so genannte Inflationsabsicherungen (Sachwerte wie Immobilien, Rohstoffe oder Gold) investiert haben, profitieren, wenn der Wert ihrer Anlagen steigt.
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