Ausgang der US-Zwischenwahlen
Nach den US-Zwischenwahlen zeigt Vontobel-Chefökonom Dr. Reto Cueni auf, was das Ergebnis für Anlegerinnen und Anleger bedeutet.
Ausgang der US-Zwischenwahlen: Die wichtigsten Erkenntnisse
Die US-Bürgerinnen und Bürger sind an die Urnen gegangen, um über die Machtverhältnisse im Kongress zu entscheiden. Während die Demokraten die Kontrolle über den Senat behalten haben, haben die Republikaner die Kontrolle über das Repräsentantenhaus übernommen. Was bedeutet dieses Ergebnis?
Eine geteilte Regierung
Die USA haben nun für die nächsten zwei Jahre eine geteilte Regierung, was dem Hauptszenario im kürzlich veröffentlichten Vontobel-White Paper entspricht, in dem ebenso die möglichen Alternativ-Szenarien analysiert wurden. Auch wenn das Repräsentantenhaus in den Händen der Republikaner liegt, ist deren Mehrheit viel knapper als von vielen erwartet. Dies erhöht zwar das Risiko einer Pattsituation in der US-Politik, aber die Hindernisse für Präsident Biden, neue Gesetze zu erlassen, sind in dieser Situation nicht so gross, da er von gemässigten Republikanern unterstützt werden könnte. Anlegerinnen und Anleger können dennoch beruhigt sein, denn substanzielle Änderungen bei den Staatsausgaben oder der Steuerpolitik sind nun unwahrscheinlich.
Gespaltener Kongress - die Vorbehalte
Dieses Szenario ist jedoch mit einigen Vorbehalten behaftet. Sollte die US-Wirtschaft in eine Rezession abrutschen, wird es mit einem gespaltenen Kongress schwieriger, den Segen des Kongresses für schnelle zusätzliche Staatsausgaben zur Stützung der Wirtschaft zu erhalten. Die Republikaner könnten in einen Interessenkonflikt geraten: unterstützt man die Wirtschaft oder erhöht man die Wahrscheinlichkeit, dass 2024 ein republikanischer Präsident an die Macht kommt? Die Chancen auf eine Wiederwahl sinken nämlich für amtierende Präsidenten, wenn sie zuvor mit einer Rezession zu kämpfen haben.
Ebenfalls birgt ein gespaltener Kongress das Risiko eines «Shutdown» im Jahr 2023, da die Republikaner wahrscheinlich versuchen werden den Haushaltsprozess zu blockieren, was sich in der Regel vorübergehend negativ auf die Märkte auswirkt.
Da es aber auch keine «blaue Welle» gab, ist es nun auch unwahrscheinlich, dass die Demokraten der US-Notenbankpolitik mit proaktiven fiskalpolitischen und regulatorischen Unterstützungsprogrammen entgegentreten werden, was die Bedenken der Anlegerinnen und Anleger etwas lindern sollte.
Präsidentschaftswahlen 2024
Die Anlegerinnen und Anleger hielten Ausschau nach einer möglichen «roten Welle» und wie die von Donald Trump unterstützten Kandidaten in den Zwischenwahlen abschneiden werden, um zu sehen, wie stark seine Stellung innerhalb der republikanischen Partei ist. Die Ergebnisse in einigen wichtigen Bundesstaaten zeugten von einem schlechten Abschneiden seiner Kandidaten: In Pennsylvania unterlag Doug Mastriano im Gouverneurswahlkampf seinem demokratischen Gegenkandidaten, während Mehmet Oz' Niederlage gegen seinen demokratischen Rivalen zu einem zusätzlichen Senatssitz für die Demokraten geführt hat. Andere von Trump unterstützte Kampagnen, wie Kari Lakes Kandidatur für das Gouverneursamt in Arizona, sind ebenfalls gescheitert.
Es ist erwähnenswert, dass die meisten der von Trump unterstützten unterlegenen Kandidaten ohne grosses Aufheben ihre Niederlagen eingeräumt und das Wahlergebnis akzeptiert haben. Dies ist ein positives Ergebnis für die Märkte, da es die Unsicherheit rund um den Wahlprozess verringert und ein gutes Zeichen für den Ausgang der kommenden US-Präsidentschaftswahlen ist.
Dennoch hat Donald Trump nur eine Woche nach den Zwischenwahlen angekündigt, dass er 2024 erneut für das Präsidentenamt kandidieren wird. Andererseits sollte man Ron DeSantis im Auge behalten, der bei den Zwischenwahlen mit grossem Vorsprung zum Gouverneur von Florida wiedergewählt wurde und als "Trump Light" gilt. Er könnte ebenfalls eine Präsidentschaftskampagne starten und wagen, es mit Trump aufzunehmen. Auf seiner Wahlparty jubelte die Menge "noch zwei weitere Jahre".
Es bleibt abzuwarten, ob das nun von den Republikanern kontrollierte Repräsentantenhaus den Ausschuss «January 6 Committee», welcher derzeit Trump’s Rolle beim Angriff auf das US-Kapitol einige Tage vor der Amtseinführung von Präsident Biden untersucht, auflöst oder nicht.
Auswirkungen auf die Geopolitik
Insgesamt scheint eine wesentliche Änderung der US-Aussenpolitik nach den Zwischenwahlen unwahrscheinlich, da es starke parteiübergreifende Ansichten in Bezug auf die Verteidigung der Position der USA als globale Führungsmacht gibt.
Eine Präsidentschaft Trumps oder einer Kandidatur aus dem "Trump-Flügel" könnte jedoch den derzeitigen Konsens in der US-Aussenpolitik in Frage stellen. Trumps Ankündigung zu kandidieren bedeutet noch nicht, dass er der Kandidat der Republikaner ist. Aber wie in unserem White Paper dargelegt, könnte ein solches Szenario Auswirkungen auf die Geopolitik haben. Während seiner ersten Amtszeit als Präsident drohte Trump mit dem Austritt der USA aus der NATO und setzte mitten in der Coronavirus-Pandemie die US-Zahlungen für die Weltgesundheitsorganisation aus. Deshalb gilt er als der Kandidat, der am ehesten die Unsicherheit in der US-Aussenpolitik erhöhen könnte, zumal unklar ist, wie er sich angesichts des anhaltenden Krieges in der Ukraine verhalten würde. Seine Wiederwahl könnte ein Vakuum schaffen, das von anderen globalen Akteuren mit starken geopolitischen Ambitionen, wie China und Russland, genutzt werden könnte.
Es kann aber in den nächsten zwei Jahren noch viel passieren, und fürs Erste haben die Ergebnisse der Zwischenwahlen Joe Bidens geopolitisches Ansehen nicht beeinträchtigt, was für eine Fortsetzung der derzeitigen US-Aussenpolitik spricht, die darauf abzielt, ihre globale Führungsrolle zu sichern.