Tradition statt Trend – Nachhaltigkeit ist bei Vontobel kein Modewort
Das Interview mit Natalie Ernst, Corporate Sustainability Manager bei Vontobel
Nachhaltigkeit ist heute ein Top-Thema auf jeder Marketing-Agenda. Doch wer mit Nachhaltigkeit nur sein Image aufpoliert, kann auf schöne Worte keine Taten folgen lassen. Um glaubwürdig gegen aussen zu kommunizieren, muss Nachhaltigkeit ein gelebter Bestandteil der Unternehmenskultur sein. Im Interview erklärt Natalie Ernst, warum sie hierfür bei Vontobel die richtigen Voraussetzungen vorgefunden hat.
Natalie Ernst ist Corporate Sustainability Manager bei Vontobel
Frau Ernst, Sie sind Corporate Sustainability Manager bei Vontobel. Wie nachhaltig leben Sie persönlich?
Das ist einer der Bereiche, wo ich Beruf und Privates für einmal nicht strikt trenne. Denken wir zum Beispiel an CO2-Emissionen. Kürzlich sind wir mit der Familie in einer achtstündigen Zugreise an ein beliebtes Reiseziel gefahren. Wir haben die Landschaft und die Beinfreiheit genossen und uns mit Mitreisenden unterhalten. Im Vergleich zum Flug – wenn er denn pünktlich gewesen wäre – haben wir maximal zwei Stunden länger gebraucht. Insgesamt haben wir aber eine viel schönere und entspanntere Reise erlebt.
Das beweist mir, warum Nachhaltigkeit das Gegenteil von kurzfristigem, schnellen Profit ist. Ich stelle mir immer häufiger die Frage: Was kann ich für ein glückliches und zufriedenes Leben tun? Und je öfter ich mir diese Frage stelle, desto nachhaltiger lebe ich. Nicht mehr kaufen und noch mehr konsumieren, sondern das Vorhandene zu geniessen und mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen.
Der Begriff «Nachhaltigkeit» ist ein Modewort. Wie grenzt sich Vontobel vom Marketing-Mainstream ab, der lediglich einem Trend hinterherjagt?
Wer die Geschichte von Vontobel bis zu den Anfängen zurückverfolgt, stellt fest, dass verantwortungsvolles Unternehmertum schon immer ein Bestandteil unserer Unternehmenskultur war. Man nannte es früher «Mass halten». Dieses Credo hat die Geschäftspolitik in den verschiedensten Facetten geprägt.
So hat Dr. Hans Vontobel bereits 1989 den Hans Vontobel Preis für Agronomie ins Leben gerufen. Damals waren Schädlingsbekämpfungsmittel ein grosses Thema. Seine Überlegung: Nur wenn die Agrarwirtschaft auf kurzfristige Ertragsmaximierung verzichtet, können wir langfristig von ihren Erzeugnissen profitieren. Mit dem Preis werden übrigens bis heute junge Doktorierende der Agrarwirtschaft ausgezeichnet.
Nebst dieser ökologischen Perspektiven waren auch Themen wie Corperate Governance früh ein Anliegen der Familien Vontobel…
Ja, schon 1987 hat Vontobel den Eigenhandel mit Aktien eingestellt und 2001 das «one share – one vote»-Prinzip eingeführt. Die Familien Vontobel sind ausserdem bekannt für ihr gesellschaftliches Engagement. Sie sehen: Nachhaltiges Denken und Handeln beginnt bei uns bereits bei den Gründern, insofern kann ich mich persönlich sehr gut damit identifizieren und freue mich darauf, in meiner Funktion weitere Weichen für eine nachhaltige Zukunft zu stellen.
Warum ist es heute für Investoren interessant, an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten zu partizipieren?
Wir beobachten einerseits Investoren, die nachhaltige Anlagen aus Überzeugung wählen, weil sie persönliche Werte auch finanziell unterstützen möchten. Eine zweite Motivation sind monetäre Überlegungen. Denn nachhaltig agierende Unternehmen setzen sich tendenziell kleineren Risiken aus.
Der Verband Swiss Sustainable Finance hat dieser Tage den «Marktbericht Nachhaltige Geldanlagen 2018» veröffentlicht. Vontobel belegt mit 8.9% Marktanteil den vierten Platz nach grossen Häusern wie UBS und Credit Suisse. Das ist beachtlich. Im Vorjahr lag unser Anteil bei 6.6%. Unsere nachhaltig verwalteten Gelder sind von CHF 11 Mia. (2016) auf knapp 14 Mia. (2017) gestiegen.
Und abgesehen von neuen Finanzprodukten, wie kann Vontobel auch als Unternehmen nachhaltig agieren?
Im vergangenen Jahr hat uns zum Beispiel das Thema Elektroschrott stark beschäftigt. Wir mussten rund 1000 Desktop-Computer austauschen, um für die Umstellung auf Windows10 gerüstet zu sein. Sie einfach zu entsorgen, wäre zwar möglich, aber bedauerlich gewesen. Denn wirklich «alt» waren die Geräte noch lange nicht. Darum hat Vontobel einen Partner gesucht, der sich der Aufbereitung und Weiterverwendung der Computer annimmt. Hier sind wir bei der der gemeinnützigen Stiftung «AfB social & green IT» fündig geworden. AfB vermittelt seit über zehn Jahren hochwertige Firmen-IT kostengünstig an Privatpersonen und gemeinnützige Organisationen.
Was die soziale Nachhaltigkeit angeht, verbindet Vontobel eine langjährige Partnerschaft mit dem Internationalen Roten Kreuz. Was steht hinter diesem Engagement?
Die meisten kennen das IKRK als Institution, die humanitäre Hilfe leistet. Doch angesichts der weltweit immer länger andauernden Konflikte ist das IKRK mittlerweile zu einem unverzichtbaren politischen Akteur geworden. In Kriegsregionen, zu denen sonst niemand Zutritt hat, sorgt das IKRK mit viel diplomatischem Geschick für eine gewisse Stabilität. Nur so ist es auch möglich, Hilfsgüter in die betroffenen Regionen zu senden.
Für die Gesellschaft, aber auch für Unternehmen wie Vontobel, ist Stabilität von grosser Wichtigkeit. Deshalb arbeiten wir seit mehr als zehn Jahren mit dem IKRK zusammen. In der Weihnachtszeit haben wir zudem eine Spendenaktion für ein Projekt des IKRK initiiert. So spenden wir einen Betrag für jede Weihnachtskarte, die unsere Haus verlässt und 2017 haben unsere Mitarbeitenden für ein Bildungsprojekt gespendet, denn Bildung wird zunehmend zu einem humanitären Bedürfnis, insbesondere in Ländern mit langwierigen Konflikten.
Über Natalie Ernst
Natalie Ernst ist seit 2015 für die Nachhaltigkeit bei Vontobel verantwortlich. Davor war sie über zehn Jahre in verschiedenen Funktionen und als Teamleiterin in der Unternehmenskommunikation von Credit Suisse und der Nachhaltigkeitsrating-Agentur Inrate tätig. Als zertifizierte Trainerin für Leadership & Kommunikation hat sie in selbständiger Tätigkeit ausserdem Professionals und Führungskräfte beraten. Sie verfügt über einen Abschluss in angewandter Sprach- und Kulturwissenschaft der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.