Über den Autor
Mark Holman
Chief Executive Officer TwentyFour Asset Management, Portfolio Manager
Weitere ArtikelFünf Fragen zu den Anleihenmärkten in 2022
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Mark Holman
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Die Debatte über die «vorübergehende» Inflation war den grössten Teil des Jahres über das dominierende Thema am Markt. Als immer deutlicher wurde, dass die Preissteigerungen zumindest hartnäckiger sind als von den Notenbanken zunächst gedacht, wurden letztere gezwungen, ihre eiserne Haltung etwas aufzuweichen. Die US-Verbraucherpreisinflation (CPI) erreichte im Oktober ein 30-Jahres-Hoch von 6,2 Prozent und lag damit den sechsten Monat in Folge über 5 Prozent. Es handelt sich hier um einen verbreiteten Trend: Die Verbraucherpreisinflation in Großbritannien und der Eurozone betrug im Oktober 4,2 bzw. 4,1 Prozent.
Für Long-only-Fixed-Income-Anleger gibt es keine perfekte Absicherung gegen Inflation. Inflationsgebundene Staatsanleihen wie US TIPS sind weniger effektiv als Sie vielleicht glauben. Und taktische Swaps mögen einen gewissen Schutz vor steigenden Renditekurven bieten, doch nach unserer Überzeugung geht es beim Reflationshandel eher darum, was man am besten vermeidet.
Beim Thema Zinsen ist es uns wichtig, Duration zu meiden. Viele Anleihenanleger sorgen sich mit Blick auf 2022 vor dem folgenden Szenario: Bei anhaltend hoher Inflation könnten die Märkte beginnen, eine aggressivere Zinserhöhung durch die Notenbanken einzupreisen, was wiederum zu einigen äusserst drastischen Aufwärtsbewegungen bei den Renditen von Staatsanleihen mit längeren Laufzeiten führen könnte – wie wir es im ersten Quartal bei den US-Treasuries und im vierten Quartal bei den britischen Gilts bereits beobachten durften. Im Bereich Anleihen möchten wir Branchen mit geringen Margen meiden, in denen die Unternehmen Preissteigerungen oftmals nur schwer an die Verbraucher weitergeben können. Ein Beispiel hierfür ist der Bausektor: Aufgrund der dort üblichen langen Projektdauer ist es hier schwer, angemessen auf steigende Preise entscheidender Produkte wie Stahl und Beton einzugehen.
Im Zuge der Pandemiebekämpfung kam es immer wieder zu Lockdowns und Öffnungen der Weltwirtschaft, die internationale Reisetätigkeit kam zum Erliegen und Millionen Arbeitnehmer wurden staatlicherseits gezwungen, zu Hause zu bleiben. Die Beendigung der Massnahmen hat zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen gezeitigt – von Arbeitskräfteknappheit bis zu globalen Lieferkettenproblemen. Hierdurch ist der schnelllebige neue Konjunkturzyklus extrem schwer einzuschätzen.
Eine der vielen offenen Fragen lautet zum Beispiel, wie viele Menschen während der Lockdowns aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und ob sie zurückkommen. Die Arbeitslosigkeit in den USA ist im Oktober auf 4,6 Prozent gefallen; als sie im letzten Konjunkturzyklus auf dieses Niveau gefallen war (Februar 2017), hatte die US-Notenbank Fed die Zinsen bereits auf 1 Prozent erhöht und Tapering war nur noch eine verblassende Erinnerung aus früheren Zeiten. Nun, da die Erwerbsquote stabil bei knapp unter 62 Prozent verharrt – ein Level, das wir zuletzt in den 1970ern gesehen haben –, weiss die Fed ganz einfach nicht, was der Begriff «Vollbeschäftigung» nach COVID überhaupt bedeutet. Und dies ist nur eine der Ungewissheiten, die die Notenbanken eine verfrühte Straffung der Geldpolitik fürchten lassen.
Vielleicht lautet das grösste Einzelrisiko für Anleger im nächsten Jahr, dass die Notenbanken den Märkten hinterherhinken – und Fehlentscheidungen scheinen hier immer schwerer vermeidbar. Alle verfügbaren Daten deuten auf eine extrem starke und breite Konjunkturerholung hin. Dennoch geht die Fed mit Tiefstzinsen ins Jahr 2022 hinein und pumpt über ihre Anleihenkäufe monatlich weiterhin 90 Milliarden US-Dollar in die Märkte.
«Wir sollten in aller Bescheidenheit zugeben, dass auch wir nicht alles über diese Wirtschaftslage wissen», betonte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell kürzlich. Die Notenbanken betreten absolutes Neuland – und sind sich dessen auch bewusst.
Derzeit ist es faktisch unmöglich, auf Basis der Fundamentalwerte vorherzusagen, wohin die 10-jährigen US-Treasuries sich entwickeln. Seit Anfang März hat die Kern-CPI in den USA sich von 1,6 % auf 4,5 % fast verdreifacht, während die Renditen der 10-jährigen US-Treasuries im selben Zeitraum nicht anzogen: Sie lagen damals wie heute bei etwa 1,6 %, auch wenn zwischendurch reichlich Volatilität zu verzeichnen war. Analysten der Deutschen Bank zufolge sollten angesichts der historischen Beziehungen zwischen der Kern-CPI und den 10-jährigen Renditen letztere derzeit bei ca. 7 % liegen.
Diese extreme Prognoseunsicherheit der Staatsanleihen ist keine gute Nachricht für Anleihenanleger, von denen viele in dieser Zyklusphase wohl gerne einige Treasuries mit längeren Laufzeiten oder sonstige Staatsanleihen halten würden, um sich vor einem Abschwung zu schützen. Stattdessen sind die Staatsanleihen zu einer erheblichen Risikoquelle der Fixed-Income-Anlagen geworden, da sie offenbar ständig für einen Abverkauf in Frage kommen. Letzterer wäre auch ein Problem für Anleihen mit niedrigeren Renditen, deren Spread nicht ausreicht, um die Zinsschwäche auszugleichen. Folglich spielen die Zinsen am langen Ende der Renditekurve in den Erwägungen zur Asset Allocation derzeit weiterhin keine Rolle.
Die kurze Antwort lautet für uns: Nein. Irgendwann Mitte Oktober war die Finanzpresse plötzlich voller Schlagzeilen zum Thema Stagflation – ausgelöst offenbar durch steigende Energiepreise und eine Verschärfung der Lieferkettenprobleme, wobei hier besonders ein viel diskutierter Stau an zwei der wichtigsten Häfen in den USA zu nennen ist. Leider wird dieses Thema auch noch in Prognosen für 2022 breit diskutiert. Zuletzt haben Strategen der Bank of America von Stagflation gesprochen und eine Parallele zwischen der heutigen Marktsituation und der «frühen Stagflation» in den späten 1960ern und Anfang der 1970er gezogen.
Der Begriff «Stagflation» ist nicht klar definiert, er wird im Allgemeinen aber für ein Szenario verwendet, in dem die Inflation erheblich höher ist als üblich (ober deutlich über den Notenbankzielen) und gleichzeitig das Wachstum stagniert oder nahe null liegt.
Die Debatte über die «vorübergehende» Inflation tobt weiter, doch es besteht kein Zweifel, dass die erste Bedingung derzeit erfüllt wird. Die zweite Bedingung ist davon jedoch weit entfernt. Das globale Wachstum wird dieses Jahr den Erwartungen nach so hoch sein wie seit Jahrzehnten nicht und die Prognose für 2022 lautet, dass das Wachstum höher ausfällt als in jedem einzelnen Jahr seit der Finanzkrise 2008. Erneute pandemiebedingte Lockdowns könnten natürlich dazu führen, dass das Wachstum kurzfristig stagniert. Doch die Erfahrung zeigt, dass die Folgen dieser Stagnation sofort behoben sind, sobald die Einschränkungen enden.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde brachte es im Oktober vielleicht am besten auf den Punkt: «Wir sehen keine Stagflation ... okay?»
Wenn man eine Reihe von Fixed-Income-Prognosen der letzten Tage liest, kann man in Bezug auf die Aussichten für Anleihenanleger in 2022 recht optimistisch sein. Der allgemeine Konsens lautet, dass wir mit hohen Bewertungen, rückläufigem Wachstum und Erträgen sowie ersten Leitzinserhöhungen ins neue Jahr starten – für Fehler bleibt dabei wenig Spielraum.
Glücklicherweise sind die Kreditfundamentaldaten weiter robust, mit High-Yield-Ausfallquoten in den USA und Europa von unter einem Prozent und weit mehr Hoch- als Herabstufungen. Doch angesichts der von uns erwarteten Volatilität gehen wir im High-Yield-Bereich von einer grösseren Performance-Streuung aus. Die Titelselektion wird also wichtiger werden als in den vergangenen zwölf bis achtzehn Monaten.
Welche Bereiche sollten die Anleger also im Blick behalten?
Da wären zunächst Banken, genauer gesagt Additional-Tier-1-Papiere (AT1), die 2022 erneut erste Wahl sind. Unserer Ansicht nach haben die Banken während der Krise von 2020 ihre Widerstandsfähigkeit gezeigt, sind gegen Inflation besser gewappnet als andere Branchen und profitieren tendenziell von steigenden Zinsen.
Darüber hinaus sind wir der Ansicht, dass europäische Collaterised Loan Obligations (CLOs) derzeit mit die besten Value-Gelegenheiten am globalen Fixed-Income-Markt darstellen. Die Renditen scheinen attraktiv, die Kreditfundamentaldaten dürften die Performance verbessern, und als variabel verzinste Anlageklasse weisen sie fast kein Nullzinsrisiko auf.
EM-Unternehmensanleihen in Hartwährung schliesslich könnten 2022 gegenüber dem Markt potenziell deutlich besser abschneiden, da sie in puncto Wachstum und Erträge die Industrieländer nach der Erholung von der Pandemie einholen. Der Haken ist jedoch, dass diese Gelegenheit sich auflösen könnte, falls sich erweisen sollte, dass die Fed der Kurve zu stark hinterherhinkt und einen aggressiveren Straffungszyklus startet als derzeit angekündigt. Das Timing ist hier also besonders wichtig und wir denken, dass die Anleger kurzfristig für ihre Geduld belohnt werden dürften.
Aus Sicht der Asset Allocation ist der beste Ansatz unserer Ansicht nach, nur zu Liquiditätszwecken auf Staatsanleihen am kurzen Ende der Renditekurve zu setzen, die Kreditduration relativ kurz zu halten und sicherzustellen, dass Ihr Portfolio ausreichend renditestärkere Titel enthält, um Ihrem Zinsrisiko entgegenzuwirken. Rendite und Roll-Down sind günstige Faktoren, wobei der Roll-Down nur am vorderen Ende der Kreditkurve einen echten Vorteil bietet.
Darüber hinaus dürften unserer Einschätzung nach viele Unbekannte in der ersten Jahreshälfte 2022 aufgelöst werden. Das könnte sich als wertvolle Gelegenheit erweisen, die Portfolios weiter zu verbessern und zusätzliche Risiken einzugehen. Intrazyklische Einbrüche stellten historisch gute Kaufgelegenheiten dar, doch um die Chance zu nutzen, sollten Anleger ihre Liquidität höher halten, was angesichts der Herausforderungen zum Jahreswechsel 2022 durchaus sinnvoll ist.
Sie vertrauen uns die Verwaltung Ihres Vermögens an und profitieren von unserer umfassenden Anlagekompetenz.
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