«Es gibt niemals Grund zur Panik»

Insights, Coronavirus
19.03.2020 Lesezeit: 3 Minute(n)

Der Chief Strategist bei Vontobel Asset Management, Frank Häusler, erläutert die möglichen Folgen der Coronavirus-Pandemie für die Wirtschaft und die Inflation.

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Frank Häusler, die vergangene Woche war für die Aktienmärkte eine schwarze Woche. Es gab Panikreaktionen und -verkäufe an den Märkten. Besteht wirklich Grund zur Panik?

Frank Häusler: Zunächst gibt es niemals Grund zur Panik. Allerdings ist jetzt sicher der Zeitpunkt gekommen, die aktuelle Wirtschafts- und Investitionslandschaft einer Neueinschätzung zu unterziehen. Aufgrund der Ausbreitung des Virus wurden zahlreiche Lieferketten unterbrochen. Der Anfang lag zwar in China, doch zwischenzeitlich ist die ganze Welt betroffen.

Da die Menschen aus eigenem Antrieb oder auch durch staatliche Verordnung ihren privaten Konsum stark reduziert haben, stellte sich zudem ein Nachfrageschock ein. Dieser wird, in einigen Regionen Rezessionen nach sich ziehen, und die Konjunktur wird sich nicht vor Anfang des zweiten Halbjahres 2020 wieder beschleunigen. Höchstwahrscheinlich ist in Regionen wie Europa und Japan ein negatives Wachstum für 2020 nicht mehr vermeidbar. Die Furcht vor Ausfällen und faulen Krediten (Unternehmenskrediten), denen Bankenprobleme und steigende Arbeitslosigkeit folgen würden, ist nun wieder auf den Märkten präsent. Die Angst, dass aus einem «Event Driven» Schock, eine systemische Krise wird.

Mit welchen Szenarien planen Sie aktuell? Und wie wird sich das Virus Ihrer Meinung nach auswirken?

Frank Häusler: Wir sind keine Epidemiologen, aber wir müssen eine ungefähre Vorstellung von der Entwicklung von Covid-19 haben, um eine wirtschaftliche Prognose aufzustellen, auch wenn diese mit grosser Unsicherheit behaftet ist. Wir gehen davon aus, dass es gegen Mitte/Ende des zweiten Quartals so aussehen wird, als sei das Virus unter Kontrolle. Das heisst, die Zahl der täglichen Neuinfektionen wird dann langsamer steigen.

Wir rechnen deshalb damit, dass die Präventionsmassnahmen etwa zu Anfang des Sommers zurückgefahren werden und sich die Angst der Menschen in den betroffenen Ländern legt und der Konsum dadurch wieder steigt. Für den Beginn des zweiten Halbjahres dürfte das Konsum- und Geschäftsklima rasch freundlicher werden und im dritten und vierten Quartal einen deutlichen Aufschwung bringen. Natürlich kann jede Veränderung bei diesen grundlegenden Prämissen, ganz besonders im Hinblick auf die weitere Entwicklung der Infektionen, grossen Einfluss auf unsere Konjunkturprognose haben. Je länger sich das Virus ausbreitet, umso stärker wird der Effekt auf Angebot und Nachfrage sein.

Die Folgen einer Coronavirus-Pandemie sind weitreichend. Angebot und Nachfrage gehen zurück. Was genau bedeutet das?

Frank Häusler: Es gab einen enormen Angebotsschock: China ist aus der Lieferkette herausgefallen und ist nun dabei, sich wieder einzuklinken (also seine Produktion wieder hochzufahren). Nun hat sich aber Europa abgeschottet und auch die USA ziehen nach. Dies führt zu globalen Versorgungsengpässen. Da nicht alle gleichzeitig einbrechen werden, wird sich die Schockdauer verlängern. Aber das ist es nicht allein.

Auch ein Nachfrageschock steht bevor: Auf der Nachfrageseite (vor allem im Bereich des privaten Konsums) ist der Herdentrieb gewöhnlich ausgeprägter als angebotsseitig (Unternehmen). Die Ausbreitung von Angst und die Selbstbeschränkung der Konsumnachfrage (privater Konsum) vollziehen sich häufig rascher und sogar weniger linear als bei Firmen. Aber dies dürfte dann auch positiv zum Tragen kommen, wenn die Angst nachlässt.


Stichwort Inflation. Die wachstumsdämpfende Wirkung des Coronavirus führt auf breiter Front zu einem Preisrückgang. Wie denken Sie darüber?

Frank Häusler: Solange die Nachfrage stärker schrumpft als das Angebot, ist die Inflation einem Abwärtsdruck ausgesetzt. Insbesondere deshalb, weil der VPI (Verbraucherpreisindex) und der private Konsum in Zeiten von Angst, Selbstprävention, Quarantänemassnahmen und Reiseverboten deutlich abzunehmen scheint. Der Einbruch der Energiepreise wird den Rückgang der Gesamtinflation zusätzlich verstärken.

Da sich die Nachfrage unserer Annahme zufolge im Zuge einer schnellen Verbesserung des Konsum- und Geschäftsklimas rasch erholen dürfte, rechnen wir mit einer Erholung des VPI. Da wir jedoch nicht davon ausgehen, dass das Angebot komplett zusammenbricht und glauben, dass es sich im Verhältnis zur Nachfrage vermutlich besser behaupten wird (der Nachfragschock ist also grösser), dürfte sich der VPI-Anstieg im «normalen» Rahmen halten. Einige «Nischen» mit überbordenden Preisen können diesen Anstieg zwar verstärken, lassen sich aber sehr schwer vorhersagen.

  

 

  

 

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