Cool bleiben trotz grassierenden Inflationsängsten

Insights, Perspektiven 2021
15.09.2021 von Mark Holman Lesezeit: 4 Minute(n)
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Das Thema Inflation ist derzeit in aller Munde. Fast die Hälfte unserer Gespräche scheint sich nur um dieses eine Thema zu drehen – genauer gesagt um die Frage, weshalb die US-Notenbank Federal Reserve mit ihrer Einschätzung der Lage nahezu allein zu sein scheint.

Bei Anleihenmanagern sind Inflationssorgen nachvollziehbar: In der Regel sind mit Preissteigerungen Verluste bei US-Treasuries verbunden, die wiederum Verluste bei Kreditprodukten nach sich ziehen können, deren Spreads zu eng sind, um weitere Zinsbewegungen zu absorbieren. So mancher Marktbeobachter winkt ab, weil das Thema nicht aus den Schlagzeilen kommt. Wir sind aber der Meinung, dass sich diese Debatte durchaus lohnt. Denn wenn es eine Frage gibt, die Anleger im verbleibenden Jahr 2021 richtig einschätzen müssen, dann diese.

 

Seit Monaten ist von dem Fed-Vorsitzenden Jerome Powell und anderen Vertretern der amerikanischen Notenbank die mittlerweile vertraute Mischung aus Beschwichtigung und fortwährender Beteuerung zu vernehmen, die Erholung nach der Pandemie so lange wie nötig zu unterstützen.

So beteuert die Fed insbesondere immer wieder, dass sich jede Preissteigerung in der gegenwärtigen Erholungsphase als vorübergehend erweisen und angesichts von bestimmenden langfristigen Trends wie der Globalisierung, dem schwindenden Einfluss der Gewerkschaften, dem langsamen Bevölkerungswachstum und der Automatisierung letztlich nachlassen wird.

Die Inflationszahlen könnten jedoch dazu führen, dass die Beteuerungen der Fed zunehmend als leere Versprechungen angesehen werden. Im Juni wurde entgegen den prognostizierten 4,9 Prozent ein jährlicher Preisanstieg von 5,4 Prozent verzeichnet. Auch die Verbraucherpreisinflation übertraf im Juli mit 5,4 Prozent die Erwartungen (5,3 Prozent), wenn die Entwicklung auch rückläufig ist. Hat die Fed also recht, wenn sie insistiert, dass der Inflationsschub nur vorübergehender Art sei?

 

Aus unserer Sicht war unstrittig, dass der von Januar bis Mai am Markt herrschende Inflationsdruck in erster Linie auf temporäre Faktoren zurückzuführen war, wobei Basiseffekte und Lieferkettenprobleme zusammen das Gesamtbild überlagerten. Weniger klar ist aus unserer Sicht allerdings, ob alle derzeitigen Preissteigerungen sich wirklich als flüchtig erweisen werden. Unseres Erachtens gibt es hinreichende Belege dafür, dass sich die Inflation zum Teil verfestigen könnte.

 

Denn zum einen wäre es naiv zu glauben, dass die umfangreichen Schliessungen über ein Jahr und die rasche Wiedereröffnung der Weltwirtschaft ohne Folgen für die Wirtschaftlichkeit bleiben würden. Versorgungsengpässe bei wichtigen Produkten wie elektronischen Chips und der rapide Anstieg der Rohstoffpreise machen deutlich, wie schwierig es ist, globale Lieferketten wieder in Gang zu bringen, wenn sich nicht alle Volkswirtschaften im selben Tempo erholen. Hinzu kommt ein globales Bankensystem, das im Gegensatz zur Phase nach der Finanzkrise über eine solide Kapitalausstattung zu verfügen und geneigt zu sein scheint, Kredite zu gewähren. All dies spricht unserer Ansicht nach dafür, dass die Inflation länger Bestand haben dürfte, als die Position der Fed es suggeriert.

Sollten wir uns als Anleihenmanager also Sorgen machen, weil unsere Einschätzung der Inflation im Widerspruch zu jener der Fed steht? Nicht unbedingt.

Anleihenanleger müssen sich das Doppelmandat der Fed vor Augen führen: Für Powell besteht das drängende Problem darin, einerseits Vollbeschäftigung bestmöglich zu fördern und andererseits eine Erholung zu gewährleisten, die der US-Bevölkerung in der Breite zugutekommt. Die jüngsten Arbeitslosenzahlen der Statistiker des US-Arbeitsministeriums deuten darauf hin, dass sich der US-Arbeitsmarkt tatsächlich erholt. Im Juli lag die Arbeitslosenquote bei 5,4 Prozent. Allerdings beziehen laut dem Bericht vom Juli nach wie vor rund 8,7 Millionen Amerikaner Arbeitslosengeld. Somit sind noch immer 6 Millionen US-Bürger weniger erwerbstätig als noch im Februar 2020.

Arbeitslosigkeit in den USA (in Mio.): Januar 2020–Juli 2021

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Quelle: US Bureau of Labor Statistics, 31. Juli 2021

  

Ebenso blieb die Erwerbsquote (als Mass für die Zahl der Beschäftigten und Arbeitssuchenden) in den letzten Monaten weitgehend unverändert. Arbeitgeber finden trotz Anreizen und höheren Löhnen nur schwer Fachkräfte. In Anbetracht dessen halten wir eine Zinserhöhung der Fed für unwahrscheinlich, solange die Arbeitslosenzahlen nicht deutlich fallen.

Unseres Erachtens besteht die Aufgabe der Notenbank im Moment darin, die wirtschaftliche Erholung zu unterstützen und Aussagen zu vermeiden, die Zweifel an diesem Ziel nähren könnten. Doch wenn sie dafür eine Überschreitung des Inflationsziels in Kauf nimmt, was bedeutet das dann für Anleihenanleger?

Aus unserer Sicht ist es am wichtigsten, das Engagement in den – historisch betrachtet – durationsanfälligsten Sektoren entsprechend zu steuern, da wir davon ausgehen, dass sich die Fed wesentlich inflationstoleranter zeigen wird, als wir als Anleihenmanager es uns leisten können.

Zudem hat die Entwicklung an den Zinsmärkten im zweiten Quartal die Renditen so stark komprimiert, dass sie für uns mit dem bestehenden Inflationspotenzial und der Gefahr von Kommunikationspannen der Zentralbanken unvereinbar sind. Unserer Auffassung nach sind zehnjährige US-Treasuries mit Renditen von rund 1,35 Prozent selbst mit einer gemässigten Einschätzung der möglichen Inflationsverfestigung schlicht nicht mehr vereinbar. Eine Reduzierung des Engagements selbst in hoch bewerteten, aber durationsanfälligen Sektoren und langfristigen Treasuries erscheint uns daher als bedenkenswert.

Gleichzeitig gebietet es der Pragmatismus, das Gesamtrisiko für den Fall leicht zu reduzieren, dass es zu Volatilität kommt, während die Fed ihre Botschaften nachjustiert und damit möglicherweise Verunsicherung auslöst. Wir halten es daher für sinnvoll, die Liquidität von Portfolios geringfügig zu erhöhen, um Chancen bei attraktiven Bewertung anzuvisieren, falls sich diese bieten.

Allerdings sprechen wir uns damit nicht für eine vollständige Rotation aus risikoreichen Anlagen aus. Insgesamt geht unser Basisszenario für den Rest des Jahres davon aus, dass sich die Anleihemärkte weiterhin gut entwickeln, wobei sich die Ausfallquoten in Europa und den USA bis zum Jahresende abschwächen dürften. Wir sind weiterhin überzeugt, dass sich die Kreditsektoren positiv entwickeln werden, insbesondere solche, die traditionell prozyklisch ausgerichtet sind und positive Spreads wahren können, wie AT1s und europäische Collaterized Loan Obligations (CLOs).

Unser Fazit lautet daher: Angesichts der Ungewissheit bei der Preisentwicklung und am Arbeitsmarkt könnte es sich in der zweiten Jahreshälfte als wirkungsvolle Strategie erweisen, das Engagement in durationsanfälligen Sektoren zu reduzieren und eine leicht erhöhte Liquidität zur Nutzung von Chancen durch potenzielle Kursrückschläge zu nutzen.

  

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